Reichards berühmte Verwandtschaft: Unterschied zwischen den Versionen
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− | Durch seine 1786 in Weimar erfolgte Heirat mit der Tochter des Herzoglich Sachsen-Weimarischen Oberkonsistorialrats und Prinzenerziehers Johann Wilhelm Seidler, Christiane Amalie Dorothea, trat Heinrich August Ottocar Reichard in einen, auch für ihn bedeutenden Verwandtschaftskreis ein, der bis in die Nähe von Goethe reicht. Als Reichard ein Haus, gelegen an der Nordseite des Marktes zu Jena, nach über 20 Jahren wieder betrat, das nun im Besitz seines Schwagers, des Universitäts- Buchhändlers und -verlegers Hieronymus Seidler war, erinnerte er sich einer dort als Student erlebten heftigen Liebschaft mit Louise Krause, einer damals bekannten Schönheit Jenas und Tochter eines angesehenen Privatiers: „es war mein völliger Ernst gewesen, die schöne Louise heiraten zu wollen“ (Uhde, 70 f.). Dieser Schwager Hieronymus Wilhelm Christian Seidler (1765–1811) verlegte zunächst um 1800 in der „Seidlerischen Buchhandlung“ zu Altenburg, bevor er seine Verlagsbuchhandlung als „Privilegierter Akademischer Buchhändler“ nach Jena verlegte. In seinem Verlag erschien 1805 Reichards „Malerische Reise durch einen großen Theil der Schweiz“. „Diese ‚malerische Reise‘, […] darf ich mit Recht mein Werk nennen“, schreibt Reichard in seiner Selbstbiografie, „denn sie ist, wie mein noch vorhandener Briefwechsel mit meinem Verleger bezeugen kann, ganz von mir.“ (Uhde, 107) Die älteste Tochter von Hieronymus Seidler, Amalie Wilhelmine Caroline (1795–1866), war mit dem späteren General-Superintendenten des Herzogtums Coburg Wilhelm Genssler (1793–1858) verheiratet. Genssler vollzog die Trauung des Herzogs Edward von Kent mit Victoria von Sachsen-Coburg-Saalfeld, verwitwete Fürstin von Leiningen, der Eltern von Queen Victoria. Gensslers Tochter Therese (1818–1888) wurde die Frau des Geheimen Konsistorialrats Johann Christoph Florschütz (1794–1882). Der Rat Florschütz, wie er in der Literatur | + | [[Datei:66825292 614812775593980 1814293962215653376 n.jpg|mini|Portrait REICHARDS um 1815, Pastell, unsigniert, Familienbesitz der Nachkommen, anläßlich des Reichard-Symposions 2008 entdeckt; wahrscheinlich Kopie des verschollenen Ölportraits , das sich in der Gothaer Freimaurer-Loge befand.]] |
+ | Ein Aufsatz von [[Rudolf W.L. Jacobs]]. | ||
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+ | Durch seine 1786 in Weimar erfolgte Heirat mit der Tochter des Herzoglich Sachsen-Weimarischen Oberkonsistorialrats und Prinzenerziehers Johann Wilhelm Seidler, Christiane Amalie Dorothea, trat Heinrich August Ottocar Reichard in einen, auch für ihn bedeutenden Verwandtschaftskreis ein, der bis in die Nähe von Goethe reicht. Als Reichard ein Haus, gelegen an der Nordseite des Marktes zu Jena, nach über 20 Jahren wieder betrat, das nun im Besitz seines Schwagers, des Universitäts- Buchhändlers und -verlegers Hieronymus Seidler war, erinnerte er sich einer dort als Student erlebten heftigen Liebschaft mit Louise Krause, einer damals bekannten Schönheit Jenas und Tochter eines angesehenen Privatiers: „es war mein völliger Ernst gewesen, die schöne Louise heiraten zu wollen“ (Uhde, 70 f.). Dieser Schwager Hieronymus Wilhelm Christian Seidler (1765–1811) verlegte zunächst um 1800 in der „Seidlerischen Buchhandlung“ zu Altenburg, bevor er seine Verlagsbuchhandlung als „Privilegierter Akademischer Buchhändler“ nach Jena verlegte. In seinem Verlag erschien 1805 Reichards „Malerische Reise durch einen großen Theil der Schweiz“. „Diese ‚malerische Reise‘, […] darf ich mit Recht mein Werk nennen“, schreibt Reichard in seiner Selbstbiografie, „denn sie ist, wie mein noch vorhandener Briefwechsel mit meinem Verleger bezeugen kann, ganz von mir.“ (Uhde, 107) Die älteste Tochter von Hieronymus Seidler, Amalie Wilhelmine Caroline (1795–1866), war mit dem späteren General-Superintendenten des Herzogtums Coburg Wilhelm Genssler (1793–1858) verheiratet. Genssler vollzog die Trauung des Herzogs Edward von Kent mit Victoria von Sachsen-Coburg-Saalfeld, verwitwete Fürstin von Leiningen, der Eltern von Queen Victoria. Gensslers Tochter Therese (1818–1888) wurde die Frau des Geheimen Konsistorialrats Johann Christoph Florschütz (1794–1882). Der Rat Florschütz, wie er in der Literatur häufig genannt wird (Florschütz, 18), war der langjährige Hofmeister und Erzieher der beiden gothaischen Prinzen Ernst und Albert, des späteren Herzog Ernst II. von Sachsen-Coburg und Gotha sowie des Prinzgemahls von Queen Victoria. | ||
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+ | Des Verlagsbuchhändlers Seidler einziger Sohn Carl Hieronymus Seidler (1808–1876) wurde „Gouverneur der jungen Fürsten Schwarzenberg zu Wien“. Mit Carl III. Fürst zu Schwarzenberg verband ihn eine lebenslange Freundschaft.<ref>Zur Nachkommenschaft des Hieronymus Seidler, siehe DGB 739–741.</ref> Vom Jurastudium aus Jena nach Gotha zurückgekehrt, fand Reichard Anschluss an einen Kreis von 16 bis18 jungen Männern aus den besten Familien Gothas. Hier lernte er auch seinen späteren Schwager Carl Wilhelm Ettinger kennen; dieser gehörte zu den bedeutendsten Verlagsbuchhändlern der damaligen Zeit. Er war geboren in Eisenach am 5. 6. 1741 als Sohn eines Korporals der Fürstlichen Garde zu Fuß und späteren Stadtleutnants Johann Daniel Ettinger, auch Öttinger geschrieben, dessen Herkunftsort in einer Musterungsliste mit „Basel“ angegeben ist. Aber trotz umfangreicher Forschungen u. a. des schwedischen Ingenieurs und Nachkommens Peter Lundblad in Stockholm konnte seine Herkunft weder in Basel noch anderswo lokalisiert werden<ref>Briefwechsel Lundblad aus den Jahren 1980 ff. im Archiv der Schleswig-Thür. Familie Jacobs.</ref>. Auch Ettingers Bildungsweg liegt bis heute im Dunkeln. Er war eine Zeitlang Faktor in der Verlagsbuchhandlung des Johann Christian Dieterich, bis dieser von Gotha nach Göttingen wechselte und er die Verlagsbuchhandlung in Gotha schließlich selbst übernahm. Dieterich in Göttingen, seit Gothaer Zeiten mit Reichard befreundet, wurde auch dessen Verleger, besonders für den Revolutions-Almanach, der ein Verlagsrenner wurde und Reichard für den Jahrgang 300 Taler einbrachte. Ob Reichard wusste, dass er auch mit seinem Verleger Johann Christian Dieterich um die Ecke verwandt war? Dieterichs Schwester Dorothea Louise nämlich war verheiratet mit dem Herzogl. Sachsen-Gothaischen Rat und Amtsphysikus der Herrschaft Tonna und des Amtes Volkenroda Dr. med. Friedrich Heinrich Jacobs, 1725–1796, einem Halbonkel von Reichards Schwager Friedrich Jacobs. Der Zug zum Bibliophilen scheint bei den Dieterich-Nachkommen sich vererbt zu haben. Die Tochter des Amtsphysikus Jacobs und der geborenen Dieterich, Johanna Sophia Christiana Friederika Jacobs (1763–1815), heiratete den Amtmann zu Gräfentonna Carl Renatus Thienemann (1751–1803). Ein Sohn dieses Ehepaars begründete den Stuttgarter „Karl-Thienemanns-Verlag“, der vor allem als Kinderbuch- Verlag bis heute existiert; von einem anderen Sohn, dem Gothaer Hofrat und Kammerkonsulenten Johann Friedrich Wilhelm Thienemann (1784–1836), stammt die bekannte Gothaer Verlagsbuchhändlerfamilie Thienemann ab. Der Kammerkonsulent gehört zu den sogenannten „Sieben Weisen Alt-Gothas“, deren Aussehen ein Neffe Reichards, der Hofmaler Paul Emil Jacobs, in einem Gruppenportrait uns überliefert hat. Die Tochter Sophie und der Sohn Ernst Thienemann heiraten in die Verlegerfamilie des Friedrich Perthes ein. Auch der in Gotha geborene Vater der deutschen Limnologie<ref>Limnologie ist die Wissenschaft von den Binnengewässern als Ökosysteme.</ref>, Professor an der Universität Kiel, August Thienemann, gehört zu den Nachkommen des Kammerkonsulenten. Der Verleger Ettinger verkehrte in Gotha nicht nur bei Hofe, sein Haus war bald einer der literarischen und geistigen Mittelpunkte Gothas. Auswärtige Gelehrte, Dichter und Schriftsteller, die Gotha besuchten, kehrten bei ihm ein. Nach dem Bericht seiner Nichte, der Goethe-Malerin Louise Seidler, hatte sein Haus in Gotha etwa dieselbe Stellung wie das des bekannten Verlagsbuchhändlers Frommann in Jena (Schirmer, 59). | ||
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Datei:Glfiö ji.jpg|Johann Friedrich Wilhelm Thienemann; 1784–1836. Vorzeichnung von Emil Jacobs zum Gruppenportrait der „Sieben Weisen Alt-Gothas“ (Schweizer Privatbesitz) | Datei:Glfiö ji.jpg|Johann Friedrich Wilhelm Thienemann; 1784–1836. Vorzeichnung von Emil Jacobs zum Gruppenportrait der „Sieben Weisen Alt-Gothas“ (Schweizer Privatbesitz) | ||
Datei:Cgjlduh ji.jpg|Die Schwiegereltern von Ettinger, Jacobs und Reichard, Johann Wilhelm Seidler und seine Frau Marie Elisabeth geb. Pyrner<ref>Wahrscheinlich Kopien von Louise Seidler nach verschollenen Bildern, so Kovalevski, 506.</ref> | Datei:Cgjlduh ji.jpg|Die Schwiegereltern von Ettinger, Jacobs und Reichard, Johann Wilhelm Seidler und seine Frau Marie Elisabeth geb. Pyrner<ref>Wahrscheinlich Kopien von Louise Seidler nach verschollenen Bildern, so Kovalevski, 506.</ref> | ||
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− | + | In Ettingers Verlag erschienen auch die ersten literarischen Versuche Reichards. Ettinger hatte in der Kaufmannskirche zu Erfurt am 15. August 1782 die 30-jährige Anna Caroline Seidler (1752–1823) geheiratet; in ihrer ersten Ehe war sie nur kurz verheiratet gewesen, als zweite Frau des Ersten Diakonus an der Stadtkirche St. Petri und Pauli zu Weimar Magister Erdmann Siegmund Basch, der schon 1773 starb, und ein Sohn des Weimarischen General-Superintendenten D. theol. Sigismund Basch war. Caroline war das zweite Kind des damaligen Professors und Bibliothekars am Collegium Carolinum zu Braunschweig Johann Wilhelm Seidler, wo sie 1752 geboren wurde. Seidler, der als „meuble très utile“ durch Herzogin Anna Amalia nach Weimar kam<ref>Zur Herkunft Seidlers, siehe Seidler, 206; DGB 741–743.</ref>, war Theologe, wurde Oberkonsistorialrat und war zusammen mit Wieland und Knebel Erzieher der beiden Prinzen Carl August und Constantin. In Weimar wohnten die Seidlers damals in dem sog. Gelben Schloss, Wand an Wand mit der Familie Kotzebue; die Kinder beider Familien waren Jugendgespielen (Schirmer, 58).5 Als 20-jährige Witwe kehrte Caroline zunächst ins Vaterhaus zurück, wo sie im Verkehr mit der Hofgesellschaft die Versäumnisse ihrer Jugendzeit nachzuholen Gelegenheit fand. Das Leben in Weimar, schon unter Herzogin Anna Amalias Regierung besonders anregend, gewann mit dem Regierungsantritt von Herzog Carl August und Goethes Anwesenheit seit 1775 einen unerhörten Zauber. Auch Caroline, die durch die Hinterlassenschaft ihres verstorbenen Mannes materiell unabhängig geworden war, wird sich diesem interessanten Leben nicht verschlossen haben. Wir wissen, dass sie in dieser Zeit befreundet war mit der berühmten Corona Schröter (1751–1802), der von Goethe an den Weimarer Hof gezogenen Sängerin und Tragödin. Auch gehörte sie zu dem ausgewählten Freundeskreis der Goethe- Freundin Charlotte von Stein (Schirmer, 58 f.). Nach dem Tode Ettingers am 14. Juni 1804 führte sie die Ettingersche Verlagsbuchhandlung mit ihrem Sohn Carl Ottocar Ettinger fort. Die Tochter des Verlegers Ettinger, Caroline (1783–1847), heiratete 1811 den Bibliothekar und Schriftsteller zu Gotha und späteren Gymnasialdirektor zu Bromberg August Arnold. Sie pflegte ihre Tante Amalie Reichard während ihrer langen Krankheit und hatte auch nach deren Tod eine besondere Beziehung zu ihrem Onkel Reichard, die sich u. a. in gemeinsam unternommenen Reisen ausdrückte. Ihr ist das einzige im Druck erschienene Werk des Gothaer Herzogs August Emil Leopold (1772–1822) zugeeignet, wie das vorgedruckte Akrostichon<ref>Poetische Stilform, bei der die aneinander gereihten Anfangsbuchstaben der einzelnen Worte ein neues Wort ergeben.</ref> ausweist: „einem damals in ihrer Blüthe stehenden, sehr gebildeten Frauenzimmer, welches bei anmutiger Jugendfrische und ein paar schönen Augen Begabung und Liebenswürdigkeit vereinigte“, weiß Reichard von seiner Nichte zu berichten (Uhde, 496). Das Werk ist unter dem Titel „Kyllenion oder ein Jahr in Arkadien“ zu Gotha bei Ettinger 1805 erschienen. | |
[[Datei:Dtuofdzpl ji.jpg|mini|Johanna Christiana Jacobs geb. Seidler 1769–1812. Studie zu einem Ölbild, englischer Privatbesitz, wahrscheinlich von Nichte Louise Seidler (Original verschollen, Photo: Archiv Jacobs)]] | [[Datei:Dtuofdzpl ji.jpg|mini|Johanna Christiana Jacobs geb. Seidler 1769–1812. Studie zu einem Ölbild, englischer Privatbesitz, wahrscheinlich von Nichte Louise Seidler (Original verschollen, Photo: Archiv Jacobs)]] | ||
Der Sohn Carl Eduard Ettinger (1788–1853) wurde Adjutant des Prinzen Friedrich, des späteren Herzog Friedrich IV. von Sachsen-Gotha-Altenburg, mit dem er in Rom lebte, und dessen Hofrat und Hofmarschall er bis zu dessen Tode 1825 war.<ref>Zur Nachkommenschaft Ettinger, siehe DGB, 732–734.</ref> Zwischen dem Prinzen Friedrich und Reichard gibt es einen umfangreichen Briefwechsel aus der Zeit des Prinzen in Rom, vermittelt durch seinen Adjutanten Eduard Ettinger, dem Neffen Reichards. Von diesen Briefen sind jedoch nur diejenigen des Prinzen an Reichard erhalten. In einem Schreiben des Prinzen aus Rom, vom 10. 6. 1820, heißt es in der Anrede: „Lieber guter braver Reichard! Freund meines Vaters und mein Freund!“ und am Schluss: „Immer wie immer Ihr treuer Sie liebender Freund Friedrich Pr.“ (Familiennachlass) – Von Reichards Neffen Eduard Ettinger, berichtet die Malerin Louise Seidler, dass dieser Cousin ihr während ihres Studienaufenthaltes „in Italien ein hilfreicher Freund geworden“ (Kaufmann, 10) sei. Durch Ettinger lernte Reichard, der seinen Freund bei dessen Besuchen in Weimar und im Hause Seidler zu begleiten pfl egte, auch seine spätere Frau Amalie kennen. Christiana Amalia Dorothea Seidler war das siebte Kind und dritte Tochter des Weimarischen Oberkonsistorialrats Johann Wilhelm Seidler und zu Weimar am 10. 10. 1763 geboren worden. Bei des Vaters Tod 1777 war sie erst 13 1/2 Jahre alt und wurde, kaum herangewachsen, zweite Gouvernante bei der kleinen weimarischen Prinzessin Louise, denn im Hause der Witwe Seidler mit zehn, teils noch heranwachsenden Kindern, war Schmalhans Küchenmeister. Als die kleine Prinzessin am 24. 3. 1784 fünfjährig starb und Amalie dadurch ihre Stellung verlor, nahm sie die Einladung ihrer inzwischen nach Gotha verheirateten Schwester Caroline Ettinger gerne an. Hier entwickelte sich aus der Bekanntschaft Reichards mit Amalie Seidler mehr. Obwohl Amalie arm war und nicht einmal eine Aussteuer zu erwarten hatte, bat Reichard sie, seine Frau zu werden. Das Jawort erhielt er gelegentlich des gemeinsam besuchten Fronleichnam-Festes 1785 in Erfurt. Am 3. 2. 1786 wurde die Hochzeit gefeiert.<ref>Nach Uhde, 198 wurde die Trauung „in einer Dorfkirche durch meinen alten treuen Hofmeister Thielemann, der jetzt Pfarrer an dieser Kirche war“ vorgenommen. Reichard erwähnt den Namen des Dorfes und den Vornamen des Pfarrers nicht. Nach Bauer, 50, war ein Gottfried Heinrich Thielemann aus Gotha 1767–1797 Pfarrer in dem Dorfe Frienstedt Kr. Erfurt. Dort konnte der Traueintrag nunmehr nachgewiesen werden.</ref> Nach Reichards Schwager Friedrich Jacobs war sie „nicht nach Neigung, sondern nach dem Wunsche der Ihrigen verheirathet“ (Jacobs 1840, Autobiografi e). Dazu stimmt, was sie in einem Abschiedsbrief an ihre 17-jährige Tochter Charlotte, später verheiratete von Göchhausen, am 31. 5. 1805, wenige Wochen vor ihrem Tod schreibt: „Ich habe mit Deinem guten rechtschaffenen Vater sehr glücklich 19 Jahre gelebt, er hat mir, so wie ich hoffe ich ihm, nie Anlaß zu Mißvergnügen gegeben, in Euch meine lieben Kinder, genoß ich ein neues Glück, was die Bande der Liebe u. Freundschaft noch fester u. enger zwischen mir u. Eurem Vater zusammen zog […]“. Weiter heißt es darin: „Du hast gesehen daß dein Vater u. ich gewiß uns sehr liebten u. glaubst du wohl, meine Liebe das ich ihn ohne Liebe nahm? nur Freundschaft u. Achtung für seinen Charakter hatte. Hieraus kannst du sehen, wie es nicht immer nothwendig ist, aus Zährtlichkeit von beiden Seiten zu heyrathen.“ (Familiennachlass, 55–57). In den gesellschaftlichen Kreisen der bürgerlichen Häuser Gothas lernte Friedrich Jacobs, seit 1785 Professor am Gothaer Gymnasium Illustre, Amalie Reichard kennen. Jacobs wurde von dem ganzen Wesen der jungen Frau so bezaubert, dass er eine tiefe Zuneigung zu ihr fasste, die er sich allerdings selbst nicht eingestand. | Der Sohn Carl Eduard Ettinger (1788–1853) wurde Adjutant des Prinzen Friedrich, des späteren Herzog Friedrich IV. von Sachsen-Gotha-Altenburg, mit dem er in Rom lebte, und dessen Hofrat und Hofmarschall er bis zu dessen Tode 1825 war.<ref>Zur Nachkommenschaft Ettinger, siehe DGB, 732–734.</ref> Zwischen dem Prinzen Friedrich und Reichard gibt es einen umfangreichen Briefwechsel aus der Zeit des Prinzen in Rom, vermittelt durch seinen Adjutanten Eduard Ettinger, dem Neffen Reichards. Von diesen Briefen sind jedoch nur diejenigen des Prinzen an Reichard erhalten. In einem Schreiben des Prinzen aus Rom, vom 10. 6. 1820, heißt es in der Anrede: „Lieber guter braver Reichard! Freund meines Vaters und mein Freund!“ und am Schluss: „Immer wie immer Ihr treuer Sie liebender Freund Friedrich Pr.“ (Familiennachlass) – Von Reichards Neffen Eduard Ettinger, berichtet die Malerin Louise Seidler, dass dieser Cousin ihr während ihres Studienaufenthaltes „in Italien ein hilfreicher Freund geworden“ (Kaufmann, 10) sei. Durch Ettinger lernte Reichard, der seinen Freund bei dessen Besuchen in Weimar und im Hause Seidler zu begleiten pfl egte, auch seine spätere Frau Amalie kennen. Christiana Amalia Dorothea Seidler war das siebte Kind und dritte Tochter des Weimarischen Oberkonsistorialrats Johann Wilhelm Seidler und zu Weimar am 10. 10. 1763 geboren worden. Bei des Vaters Tod 1777 war sie erst 13 1/2 Jahre alt und wurde, kaum herangewachsen, zweite Gouvernante bei der kleinen weimarischen Prinzessin Louise, denn im Hause der Witwe Seidler mit zehn, teils noch heranwachsenden Kindern, war Schmalhans Küchenmeister. Als die kleine Prinzessin am 24. 3. 1784 fünfjährig starb und Amalie dadurch ihre Stellung verlor, nahm sie die Einladung ihrer inzwischen nach Gotha verheirateten Schwester Caroline Ettinger gerne an. Hier entwickelte sich aus der Bekanntschaft Reichards mit Amalie Seidler mehr. Obwohl Amalie arm war und nicht einmal eine Aussteuer zu erwarten hatte, bat Reichard sie, seine Frau zu werden. Das Jawort erhielt er gelegentlich des gemeinsam besuchten Fronleichnam-Festes 1785 in Erfurt. Am 3. 2. 1786 wurde die Hochzeit gefeiert.<ref>Nach Uhde, 198 wurde die Trauung „in einer Dorfkirche durch meinen alten treuen Hofmeister Thielemann, der jetzt Pfarrer an dieser Kirche war“ vorgenommen. Reichard erwähnt den Namen des Dorfes und den Vornamen des Pfarrers nicht. Nach Bauer, 50, war ein Gottfried Heinrich Thielemann aus Gotha 1767–1797 Pfarrer in dem Dorfe Frienstedt Kr. Erfurt. Dort konnte der Traueintrag nunmehr nachgewiesen werden.</ref> Nach Reichards Schwager Friedrich Jacobs war sie „nicht nach Neigung, sondern nach dem Wunsche der Ihrigen verheirathet“ (Jacobs 1840, Autobiografi e). Dazu stimmt, was sie in einem Abschiedsbrief an ihre 17-jährige Tochter Charlotte, später verheiratete von Göchhausen, am 31. 5. 1805, wenige Wochen vor ihrem Tod schreibt: „Ich habe mit Deinem guten rechtschaffenen Vater sehr glücklich 19 Jahre gelebt, er hat mir, so wie ich hoffe ich ihm, nie Anlaß zu Mißvergnügen gegeben, in Euch meine lieben Kinder, genoß ich ein neues Glück, was die Bande der Liebe u. Freundschaft noch fester u. enger zwischen mir u. Eurem Vater zusammen zog […]“. Weiter heißt es darin: „Du hast gesehen daß dein Vater u. ich gewiß uns sehr liebten u. glaubst du wohl, meine Liebe das ich ihn ohne Liebe nahm? nur Freundschaft u. Achtung für seinen Charakter hatte. Hieraus kannst du sehen, wie es nicht immer nothwendig ist, aus Zährtlichkeit von beiden Seiten zu heyrathen.“ (Familiennachlass, 55–57). In den gesellschaftlichen Kreisen der bürgerlichen Häuser Gothas lernte Friedrich Jacobs, seit 1785 Professor am Gothaer Gymnasium Illustre, Amalie Reichard kennen. Jacobs wurde von dem ganzen Wesen der jungen Frau so bezaubert, dass er eine tiefe Zuneigung zu ihr fasste, die er sich allerdings selbst nicht eingestand. | ||
[[Datei:Dtuod.jpg|mini|Friedrich Jacobs, 1764–184. Ölbild um 1812; Louise Seidler zugeschrieben (Englischer Privatbesitz)]] | [[Datei:Dtuod.jpg|mini|Friedrich Jacobs, 1764–184. Ölbild um 1812; Louise Seidler zugeschrieben (Englischer Privatbesitz)]] | ||
− | In seiner Autobiografie schreibt Jacobs: „Um die Zeit […] trat Amalie S. in unsre gesellschaftlichen Kreise ein, und zog sogleich alle Blicke an, sowohl durch die Schönheit ihrer Gestalt, als auch durch die Anmuth, die sie umkleidete, die Heiterkeit ihres ganzen Wesens, ihre sittsame Freundlichkeit, ihre Worte, ihre Mienen, und ihre Bewegungen, und Alles dieses in einer so natürlichen Harmonie, daß es schwer oder unmöglich gewesen wäre, eine Einzelheit zu nennen, durch die sie gefi el.“ Jacobs schreibt weiter: „Ich machte die Bekanntschaft dieser liebenswürdigen Frau geraume Zeit nach ihrer Verheirathung [1786]; und es bildete sich ein Verhältnis zu ihr, das wie Liebe erschien, aber nur Bewunderung und Zuneigung war. Es hat Zeiten gegeben, wo ich sie täglich, bald in ihrem Hause, bald in Gesellschaft, allein und unter Andern sah, ohne daß je ein Wort von Liebe gesprochen wurde.“ Er bekennt aber bei ihrem Tod 1805: „Eine andere ihres Geschlechts von gleicher Anmuth und Liebenswürdigkeit hab’ ich nicht wieder gefunden.“ (Jacobs 1840, 41 f.; 64). Zu ihrem letzten, dem 41. Geburtstag am 10. 10. 1804 sandte Friedrich Jacobs ihr folgende Verse: „Heute steigen zu Dir der Gesundheit Genien nieder, Wenn mein frommes Gebet die Himmlischen rührt; Steigen nieder zu Dir und legen mit leiser Berührung Um Dein krankendes Haupt Kränze von magischer Kraft!“ (Uhde, 362) Diese Zuneigung übertrug Friedrich Jacobs auf Amalies jüngere Schwester Johanna Christiana Seidler (1769–1812), die ihr an Gestalt die ähnlichste war und die er im Hause Reichard kennen lernte, wo dann auch bald die Verlobung stattfand (Schirmer, 29). Die Trauung fand 1792 in Denstedt bei Weimar statt.<ref>Warum ausgerechnet in diesem kleinen Dorf, konnte ich nicht herausfi nden.</ref> Der Altertumswissenschaftler und Neuhumanist Friedrich Jacobs (1764–1847) ist die bedeutendste Persönlichkeit in der angeheirateten Verwandtschaft von Reichard. Die ehemalige Karolinenstraße unterhalb von Schloss Friedenstein in Gotha trägt seinen Namen: Friedrich-Jacobs-Straße. Dort stand sein Wohn- und Sterbehaus, das leider im 2. Weltkrieg vollständig zerstört wurde. Auch seine Grabstätte existiert nicht mehr; sie befand sich in dem Jacobs-Mausoleum auf dem zerstörten Alten Friedhof I. Die schlichte Grabplatte, deren Text abgebildet ist in Schneiders Gothaer Gedenkbuch (Schneider, G., 69), wird im Museum für Regionalgeschichte und Volkskunde aufbewahrt. Friedrich Jacobs entstammte einer alten Gothaer Beamtenund Gelehrtenfamilie, die sich auf den 1680 aus Flensburg kommenden Bürgermeisterssohn und späteren Gothaer Vizekanzler Johann Jacobs (1648–1732) zurückführt. Sein Großvater Dr. med. Friedrich Wilhelm Jacobs, war Hofmedikus und langjähriger Bürgermeister von Gotha; eine zweite Ehe schloss der Hofmedikus mit Susanna Sophia Gotter, Tochter des Gothaer Kirchenlieddichters Ludwig Andreas Gotter, und Cousine des berühmten Diplomaten Friedrichs des Großen, des Grafen Gustav Adolf von Gotter auf Schloss Molsdorf. Ein Enkel des Kirchenlieddichters war Reichards Freund, der Dichter, Theaterliebhaber und Goethe-Freund Johann Friedrich Wilhelm Gotter (1746– 1797); dessen Tochter Pauline Gotter wurde die zweite Gattin des Philosophen Friedrich Wilhelm von Schelling. Aus der dritten Ehe des Hofmedikus mit der Witwe des Gothaer Historiographen und Numismatikers Christian Siegmund Liebe, Herausgeber des numismatischen Prachtwerks Gotha Numaria 1730, entstammte nur ein Sohn Wilhelm Heinrich Jacobs. Dieser wurde Jurist und war eine Zeitlang auch Bürgermeister von Gotha, dann Amtmann zu Georgenthal; verheiratet war er mit Dorothea Magdalena, einer Bürgermeisterstochter aus der Gothaer Kaufmann- und Ratsherrenfamilie Madelung; diese wurde die Mutter des Altertumswissenschaftlers Friedrich Jacobs.[[Datei:Fxzkd.jpg|mini|Dorothea Jacobs geb. Seidler, 1771–1836, zweite Frau von Friedrich Jacobs. Vorzeichnung von Emil Jacobs (Museum für Regionalgeschichte und Volkskunde, Gotha) zu einem Ölgemälde 1835 (Privatbesitz)]]. Für Reichard war er „der geistreiche, nun auch (am 20. Februar 1818) verstorbene Bürgermeister Jacobs – der würdige Vater meines späteren Schwagers, des großen Philologen“ (Uhde, 115). In dritter Ehe heiratete Wilhelm Heinrich Jacobs die Schwester des Gothaer Publizisten und Napoleongegners Rudolf Zacharias Becker, die damit zur Stiefmutter von Friedrich Jacobs wurde.Nach dem Abitur auf dem Gothaer Gymnasi- um Illustre Ostern 1781, also mit 16 Jahren, studierte Friedrich Jacobs zunächst Theologie in Jena, wandte sich aber bald den alten Sprachen und Altertumswissenschaften zu, die er ab 1784 in Göttingen studierte. Bereits mit 21 Jahren wurde Jacobs selbst Professor für Griechisch, Latein und Deutsch am Gothaer Gymnasium Illustre, an dem er 22 Jahre lang segensreich wirkte. Im Jahr 1807 erhielt er einen Ruf nach München als Professor der klassischen Literatur am Lyzeum und als Mitglied in die Bayerische Akademie der Wissenschaften einzutreten. Vom bayerischen Kronprinzen, dem späteren König Ludwig I., hatte er den Auftrag erhalten, ihm Vorlesungen über das griechische Altertum zu geben; diese Vorträge, nach dem Tode von Jacobs unter dem Titel Hellas von Wüstemann herausgegeben<ref>Wüstemann, E. F. (Hrsg.): Hellas. Vorträge über Heimath, Geschichte, Literatur und Kunst der Hellenen von Friedrich Jacobs. Berlin 1852.</ref>, haben, zusammen mit dem Einfluß von Jacobs’ Freund, dem Philhellenen Friedrich Thiersch, den Kronprinzen so beeinfl usst, dass er später als König München zur Kunststadt gemacht und mit klassizistischen Bauten geprägt hat. Nach Gotha wegen der sog. „Aretinischen Streitigkeiten“<ref>Jacobs 1840, 414–419 „Händel mit dem Freiherrn von Aretin“: Beilagen 29, „Aretinische Händel“</ref> zurückgekehrt, wurde Friedrich Jacobs von Herzog August zum Oberbibliothekar und Aufseher des Münzkabinetts ernannt; schließlich wurde er Direktor der gesamten wissenschaftlichen und Kunstsammlungen auf Schloss Friedenstein. Viele gelehrte Gesellschaften im In- und Ausland, wie die in Paris, Rom, Neapel, Kopenhagen, St. Petersburg, um nur einige zu nennen, ernannten ihn zu ihrem Mitglied. Was macht nun die Bedeutung von Friedrich Jacobs aus? Da ist zunächst seine enorme philologische Leistung, die kulminiert in der Herausgabe der Anthologia Graeca in 12 Bänden<ref>Jacobs, Friedrich: Anthologia Graeca, Bd. I–XII, Leipzig 1794–1803.</ref>, dann seine bibliothekarische Arbeit mit der von ihm verfassten ersten Geschichte der mittlerweile fast 200 Jahre alten Gothaer Bibliothek. Neben seinen wissenschaftlichen Publikationen hatte er auch als Übersetzer, Erzähler sowie als Jugendschriftsteller sein Publikum. Nach dem Urteil von Rudolf Ehwald, einem seiner Nachfolger in der Leitung der Herzoglichen Bibliothek, hat Jacobs, „wie jeder bedeutende Mensch, zunächst und am unmittelbarsten mit seiner Persönlichkeit gewirkt, […] er ist einer der Hauptförderer gewesen in der zweiten Renaissance der deutschen Literatur, in der die Wirkung des Griechischen sich geltend machte.“ (Ehwald, 141). Sein zweiter Sohn Wilhelm Jacobs (1794–1848), Jurist und Amtskommissar zu Gotha, heiratete in zweiter Ehe 1833 Charlotte Pauline Bretschneider (1809– 1861), die Tochter des General-Superintendenten des Herzogtums Gotha, Carl Gottlieb Bretschneider, eines Freimaurerbruders von Reichard. Ein anderer Sohn ist der Historien- und Portraitmaler Paul Emil Jacobs (1802– 1866), auch ein Neffe Reichards. Ob das verschollene Ölbild-Portrait Reichards in der Gothaer Freimaurerloge vielleicht von Emil Jacobs oder seiner Cousine Louise Seidler stammte, konnte ich nicht klären. Reichards einzige Tochter Charlotte Friederike Elisabeth Adelaide Auguste (1788–1873), von der allein er bis heute Nachkommen hat<ref>Nachkommentafel der Ehe von Göchhausen/ Reichard als Ergänzung zu DGB Bd. 214, 738, s. Anhang.</ref>, heiratete 1808 den preußischen Leutenant und späteren Gothaischen Kammerrat Carl Emil Constantin von Göchhausen (1778–1855); dieser war ein Sohn des sachsen-weimar-eisenachischen Geheimen Rats Ernst August Anton von Göchhausen, eines Vetters der vertrauten Hofdame der Weimarischen Herzogin Anna Amalia und Goethe- Freundin Luise von Göchhausen (1752–1807).<ref>Brief der Adele von Göchhausen-Reichard an Anton Kippenberg, Dresden 4. Mai 1934: „Berichtigen möchte ich, dass mein Grossvater [Carl Emil Constantin] v. Göchhausen in Gotha der Erbe des Nachlasses der Frl. v. Göchhausen u. aller ihrer werthvollen Schriften m. dem Ur-Faust gewesen ist u. nach dessen Tod derselbe in den Besitz meines Vaters [Bruno v. Göchhausen-Reichard] übergegangen war, also nicht meines Bruders [Ernst v. Göchhausen-Reichard], wie Sie in Ihrem letzten Brief an mich angenommen haben.“ Marbach, Literaturarchiv.</ref> Mit dem Vater seines Schwiegersohns von Göchhausen stand Reichard durch die Freimaurerei in Verbindung und „die Gleichheit unserer Meinungen machte mich schnell mit ihm bekannt, wie ich denn auch die Ehre hatte, zu Custines Zeiten zugleich mit ihm auf einer Guillotineliste zu stehen.“ (Uhde, 246). Als „Herzensfreund“ des Barons von Bechtolsheim kam Emil von Göchhausen mit diesem nach Gotha, der hier eine Jugendfreundin von Reichards Tochter heiratete.<ref>Uhde, 393 f; Carl Emil Frhr. von Bechtolsheim (1775–1810), heiratete zu Gotha 1807 Katharina Helene Alexandrina Gräfi n Duroux de Bueil (1787–1872), der Friedrich Jacobs 1803 den 2. Band seiner Vermischten Schriften widmete: Leben und Kunst der Alten. Der Bräutigam war ein Sohn des Eisenacher Kanzlers Ludwig von Bechtolsheim und der Julie Auguste Christiane Freiin von Keller (1753–1847) aus Stedten bei Erfurt, Hofdame auf Schloss Friedenstein zu Gotha, Wielands Psyche sowie Freundin von Goethe, Schiller und Herder (Georgenthal, 34; Oberndorff).</ref> Im Nachlass Reichard finden sich drei Briefe von Luise von Göchhausen an den „lieben Vetter“ Emil von Göchhausen in Eisenach, in denen es um literarische Fragen geht. Auf einem Brief ist mit anderer Handschrift vermerkt: „Tante Luise in Weimar“<ref>Familiennachlass 112–116; sieben Briefe des Emil von Göchhausen an den Verleger Cotta aus den Jahren 1815–1817 (Deutsches Literaturarchiv zu Marbach a. N.)</ref>. Reichard berichtet von seinem Schwiegersohn Baron von Göchhausen: „Durch das Erbe seiner am 7. September 1807 verstorbenen Tante Louise, welche als Hofdame der Herzogin Amalie von Weimar diese nach Italien begleitet hatte, war ihm ein eigenes Auskommen ziemlich gesichert.“ (Uhde, 394). Wie eng die Beziehung zwischen den verwandten Familien war, wird u. a. daran deutlich, dass Friedrich Jacobs nach dem 1812 frühzeitig erfolgten Tode seiner ersten Frau Christiane Seidler, im Jahre 1814 mit „v. Göchhausens“ zur Kur nach Karlsbad reiste, um seine, wie er es nannte, „zunehmende Harthörigkeit“ zu bekämpfen, leider ohne Erfolg (Jacobs 1840, 151). Auch Reichard war wegen der Krankheit seiner Frau Amalie Seidler öfters in Karlsbad zur Kur, zuletzt noch 1804, ein Jahr vor ihrem Tode (Uhde, 361). Charlotte von Göchhausen geb. Reichard ist 1825 in Gotha Patin bei dem ersten Kind ihrer Cousine Marie Gabriele Jacobs verheiratete Behm, der Tochter von Friedrich Jacobs und Christiane Seidler. Es gibt auch eine Beziehung zu Friedrich von Schiller. Schiller plante ursprünglich, Ettinger zu seinem Verleger zu nehmen, denn er war mit ihm und seiner Frau befreundet. In einem Brief an seinen Freund Körner schreibt Schiller am 29. 5. 1789 aus Jena: ''„Ein einziges Mädchen ist hier, das mir nicht übel gefällt, ich kannte sie auch schon vorher. Es ist die jüngste Schwester der Reichardt und Ettinger in Gotha, eine Seydler. Ohne viel Geist hat sie viel Gefälliges und viele Güte des Charakters und ohne gerade hübsch zu seyn, gefällt mir ihr äußerliches auch nicht übel. Sie lebt hier mit ihrer Mutter und ihrem Bruder, der Stallmeister bey der Universität ist [Vater der Malerin Louise Seidler]. Sie hat eine gute Erziehung und auch einige Feinheit des Umgangs, die man hier selten findet.“''<ref>Zitiert nach der Broschüre: 300 Jahre Buchhandlung Glaeser. Gotha 1690–1990, 9.</ref> Das Mädchen von dem Schiller hier spricht, war Dorothea Seidler, die jüngste Schwester von Caroline Ettinger, Amalie Reichard und Christiane Jacobs, in der Familie Dorette genannt. Beinahe wäre Reichard also auch ein Schwager von Schiller geworden. Aber es kam doch anders: 1814 kam Dorette nach einem achtjährigen Aufenthalt bei einem Pfarrerbruder in Reval nach Gotha und nahm Wohnung im Hause ihres verwitweten Schwagers Friedrich Jacobs. Den heiratete sie, statt Schillers, im selben Jahr als dessen zweite Frau und wurde so die eigentliche Mutter der fünf Kinder ihrer verstorbenen Schwester Christiane. Reichard hörte sogar in Erziehungsfragen auf seine Schwägerin Dorette und schreibt: „Auf das Zureden der […] Lieblingsschwester meiner verstorbenen Gattin, der guten Dorette, hatte ich im Beginn des Jahres 1806 meinen Sohn nach Weimar in eine Erziehungs-Anstalt gegeben, wo der Aufenthalt […] sichtlich zu seinem Besten gedieh.“ (Uhde, 375). Eine Nichte von Friedrich Jacobs war die schon mehrfach erwähnte Malerin Louise Seidler, die von 1800 bis 1803 das sogenannte „Pensionat der Doctorin Stieler“<ref>Die „Doctorin Stieler“ ist nicht die Ehefrau des Kartographen Adolph Stieler, Friederike geb. Madelung, wie in der Literatur immer wieder behauptet wird (so wieder Kaufmann, 482), sondern die erste Frau seines Bruders Dr. med. Ernst Wilhelm Hermann Stieler, Sophie Ludolfine geb. Burckhardt, die die von ihrem Schwiegervater, dem Hofrat und Ältesten Bürgermeister zu Gotha Caspar Hermann Nicolaus Stieler gegründete „Höhere Töchterschule“ oder auch „Stielersche Anstalt“ übernahm und leitete (Klebe 127; Archiv, 3).</ref> in Gotha besuchte und später in Jena und Weimar lebte. Die von Goethe geförderte und mit ihm befreundete Malerin ist ebenfalls Reichards angeheiratete Nichte. In ihren im Jahre 2003 von Sylke Kaufmann neu herausgegebenen und zum ersten Mal gut kommentierten „Erinnerungen“ wird „Onkel Reichard“ mehrfach erwähnt. Louise Seidler (1786–1866), hatte eine gute Beziehung zu ihrem Onkel Jacobs in Gotha und zu dessen Sohn, dem Maler Emil Jacobs (1802–1866) ihrem Cousin (Emil Jacobs, 43 ff.). Sie schreibt in ihren Erinnerungen: „Meine liebste Zerstreuung bildeten kleine Reisen nach Gotha zu Ettingers, Reichards und der guten Tante Dorette, die ich nun als Frau des Philologen Jacobs wiederfand, dessen fünf Kinder aus erster Ehe sie musterhaft erzog. In allen drei gastfreien Häusern ging es stets sehr vergnüglich her; besonders belebt und anregend wußte meine Tante Ettinger ihre geselligen Vereinigungen zu gestalten, welchen oft der phantastische Erbprinz August von Gotha (der auch nicht fortblieb, als er den Thron bestieg) und sein Bruder Friedrich angehörten. Bisweilen wurden wir sogar zu kleinen Hoffesten eingeladen […] Um so lebhafter war meine Freude, als einst am Tage nach einem Hofballe Prinz August seine sämmtlichen Tänzerinnen, zu denen auch ich gehört hatte, mit Pariser Blumen beschenkte.“ (Kaufmann, 35). Mit dieser kleinen Anekdote schließe ich meine Ausführungen über „Reichards berühmte Verwandtschaft“, die gewiss noch ergänzungsbedürftig sind. Einen zusammenhängenden Überblick über die besprochenen Verwandtschafts- Beziehungen ermöglicht die nachstehende Übersicht „Bibliothekare und Verlagsbuchhändler aus und in Gotha“, sowie eine genealogische Tafel der Nachkommen Reichards bis heute. | + | In seiner Autobiografie schreibt Jacobs: „Um die Zeit […] trat Amalie S. in unsre gesellschaftlichen Kreise ein, und zog sogleich alle Blicke an, sowohl durch die Schönheit ihrer Gestalt, als auch durch die Anmuth, die sie umkleidete, die Heiterkeit ihres ganzen Wesens, ihre sittsame Freundlichkeit, ihre Worte, ihre Mienen, und ihre Bewegungen, und Alles dieses in einer so natürlichen Harmonie, daß es schwer oder unmöglich gewesen wäre, eine Einzelheit zu nennen, durch die sie gefi el.“ Jacobs schreibt weiter: „Ich machte die Bekanntschaft dieser liebenswürdigen Frau geraume Zeit nach ihrer Verheirathung [1786]; und es bildete sich ein Verhältnis zu ihr, das wie Liebe erschien, aber nur Bewunderung und Zuneigung war. Es hat Zeiten gegeben, wo ich sie täglich, bald in ihrem Hause, bald in Gesellschaft, allein und unter Andern sah, ohne daß je ein Wort von Liebe gesprochen wurde.“ Er bekennt aber bei ihrem Tod 1805: „Eine andere ihres Geschlechts von gleicher Anmuth und Liebenswürdigkeit hab’ ich nicht wieder gefunden.“ (Jacobs 1840, 41 f.; 64). Zu ihrem letzten, dem 41. Geburtstag am 10. 10. 1804 sandte Friedrich Jacobs ihr folgende Verse: „Heute steigen zu Dir der Gesundheit Genien nieder, Wenn mein frommes Gebet die Himmlischen rührt; Steigen nieder zu Dir und legen mit leiser Berührung Um Dein krankendes Haupt Kränze von magischer Kraft!“ (Uhde, 362) Diese Zuneigung übertrug Friedrich Jacobs auf Amalies jüngere Schwester Johanna Christiana Seidler (1769–1812), die ihr an Gestalt die ähnlichste war und die er im Hause Reichard kennen lernte, wo dann auch bald die Verlobung stattfand (Schirmer, 29). Die Trauung fand 1792 in Denstedt bei Weimar statt.<ref>Warum ausgerechnet in diesem kleinen Dorf, konnte ich nicht herausfi nden.</ref> Der Altertumswissenschaftler und Neuhumanist Friedrich Jacobs (1764–1847) ist die bedeutendste Persönlichkeit in der angeheirateten Verwandtschaft von Reichard. Die ehemalige Karolinenstraße unterhalb von Schloss Friedenstein in Gotha trägt seinen Namen: Friedrich-Jacobs-Straße. Dort stand sein Wohn- und Sterbehaus, das leider im 2. Weltkrieg vollständig zerstört wurde. Auch seine Grabstätte existiert nicht mehr; sie befand sich in dem Jacobs-Mausoleum auf dem zerstörten Alten Friedhof I. Die schlichte Grabplatte, deren Text abgebildet ist in Schneiders Gothaer Gedenkbuch (Schneider, G., 69), wird im Museum für Regionalgeschichte und Volkskunde aufbewahrt. Friedrich Jacobs entstammte einer alten Gothaer Beamtenund Gelehrtenfamilie, die sich auf den 1680 aus Flensburg kommenden Bürgermeisterssohn und späteren Gothaer Vizekanzler Johann Jacobs (1648–1732) zurückführt. Sein Großvater Dr. med. Friedrich Wilhelm Jacobs, war Hofmedikus und langjähriger Bürgermeister von Gotha; eine zweite Ehe schloss der Hofmedikus mit Susanna Sophia Gotter, Tochter des Gothaer Kirchenlieddichters Ludwig Andreas Gotter, und Cousine des berühmten Diplomaten Friedrichs des Großen, des Grafen Gustav Adolf von Gotter auf Schloss Molsdorf. Ein Enkel des Kirchenlieddichters war Reichards Freund, der Dichter, Theaterliebhaber und Goethe-Freund Johann Friedrich Wilhelm Gotter (1746– 1797); dessen Tochter Pauline Gotter wurde die zweite Gattin des Philosophen Friedrich Wilhelm von Schelling. Aus der dritten Ehe des Hofmedikus mit der Witwe des Gothaer Historiographen und Numismatikers Christian Siegmund Liebe, Herausgeber des numismatischen Prachtwerks Gotha Numaria 1730, entstammte nur ein Sohn Wilhelm Heinrich Jacobs. Dieser wurde Jurist und war eine Zeitlang auch Bürgermeister von Gotha, dann Amtmann zu Georgenthal; verheiratet war er mit Dorothea Magdalena, einer Bürgermeisterstochter aus der Gothaer Kaufmann- und Ratsherrenfamilie Madelung; diese wurde die Mutter des Altertumswissenschaftlers Friedrich Jacobs.[[Datei:Fxzkd.jpg|mini|Dorothea Jacobs geb. Seidler, 1771–1836, zweite Frau von Friedrich Jacobs. Vorzeichnung von Emil Jacobs (Museum für Regionalgeschichte und Volkskunde, Gotha) zu einem Ölgemälde 1835 (Privatbesitz)]]. Für Reichard war er „der geistreiche, nun auch (am 20. Februar 1818) verstorbene Bürgermeister Jacobs – der würdige Vater meines späteren Schwagers, des großen Philologen“ (Uhde, 115). In dritter Ehe heiratete Wilhelm Heinrich Jacobs die Schwester des Gothaer Publizisten und Napoleongegners Rudolf Zacharias Becker, die damit zur Stiefmutter von Friedrich Jacobs wurde.Nach dem Abitur auf dem Gothaer Gymnasi- um Illustre Ostern 1781, also mit 16 Jahren, studierte Friedrich Jacobs zunächst Theologie in Jena, wandte sich aber bald den alten Sprachen und Altertumswissenschaften zu, die er ab 1784 in Göttingen studierte. Bereits mit 21 Jahren wurde Jacobs selbst Professor für Griechisch, Latein und Deutsch am Gothaer Gymnasium Illustre, an dem er 22 Jahre lang segensreich wirkte. Im Jahr 1807 erhielt er einen Ruf nach München als Professor der klassischen Literatur am Lyzeum und als Mitglied in die Bayerische Akademie der Wissenschaften einzutreten. Vom bayerischen Kronprinzen, dem späteren König Ludwig I., hatte er den Auftrag erhalten, ihm Vorlesungen über das griechische Altertum zu geben; diese Vorträge, nach dem Tode von Jacobs unter dem Titel Hellas von Wüstemann herausgegeben<ref>Wüstemann, E. F. (Hrsg.): Hellas. Vorträge über Heimath, Geschichte, Literatur und Kunst der Hellenen von Friedrich Jacobs. Berlin 1852.</ref>, haben, zusammen mit dem Einfluß von Jacobs’ Freund, dem Philhellenen Friedrich Thiersch, den Kronprinzen so beeinfl usst, dass er später als König München zur Kunststadt gemacht und mit klassizistischen Bauten geprägt hat. Nach Gotha wegen der sog. „Aretinischen Streitigkeiten“<ref>Jacobs 1840, 414–419 „Händel mit dem Freiherrn von Aretin“: Beilagen 29, „Aretinische Händel“</ref> zurückgekehrt, wurde Friedrich Jacobs von Herzog August zum Oberbibliothekar und Aufseher des Münzkabinetts ernannt; schließlich wurde er Direktor der gesamten wissenschaftlichen und Kunstsammlungen auf Schloss Friedenstein. Viele gelehrte Gesellschaften im In- und Ausland, wie die in Paris, Rom, Neapel, Kopenhagen, St. Petersburg, um nur einige zu nennen, ernannten ihn zu ihrem Mitglied. Was macht nun die Bedeutung von Friedrich Jacobs aus? Da ist zunächst seine enorme philologische Leistung, die kulminiert in der Herausgabe der Anthologia Graeca in 12 Bänden<ref>Jacobs, Friedrich: Anthologia Graeca, Bd. I–XII, Leipzig 1794–1803.</ref>, dann seine bibliothekarische Arbeit mit der von ihm verfassten ersten Geschichte der mittlerweile fast 200 Jahre alten Gothaer Bibliothek. Neben seinen wissenschaftlichen Publikationen hatte er auch als Übersetzer, Erzähler sowie als Jugendschriftsteller sein Publikum. Nach dem Urteil von Rudolf Ehwald, einem seiner Nachfolger in der Leitung der Herzoglichen Bibliothek, hat Jacobs, „wie jeder bedeutende Mensch, zunächst und am unmittelbarsten mit seiner Persönlichkeit gewirkt, […] er ist einer der Hauptförderer gewesen in der zweiten Renaissance der deutschen Literatur, in der die Wirkung des Griechischen sich geltend machte.“ (Ehwald, 141). Sein zweiter Sohn Wilhelm Jacobs (1794–1848), Jurist und Amtskommissar zu Gotha, heiratete in zweiter Ehe 1833 Charlotte Pauline Bretschneider (1809– 1861), die Tochter des General-Superintendenten des Herzogtums Gotha, Carl Gottlieb Bretschneider, eines Freimaurerbruders von Reichard. Ein anderer Sohn ist der Historien- und Portraitmaler Paul Emil Jacobs (1802– 1866), auch ein Neffe Reichards. Ob das verschollene Ölbild-Portrait Reichards in der Gothaer Freimaurerloge vielleicht von Emil Jacobs oder seiner Cousine Louise Seidler stammte, konnte ich nicht klären. Reichards einzige Tochter Charlotte Friederike Elisabeth Adelaide Auguste (1788–1873), von der allein er bis heute Nachkommen hat<ref>Nachkommentafel der Ehe von Göchhausen/ Reichard als Ergänzung zu DGB Bd. 214, 738, s. Anhang.</ref>, heiratete 1808 den preußischen Leutenant und späteren Gothaischen Kammerrat Carl Emil Constantin von Göchhausen (1778–1855); dieser war ein Sohn des sachsen-weimar-eisenachischen Geheimen Rats Ernst August Anton von Göchhausen, eines Vetters der vertrauten Hofdame der Weimarischen Herzogin Anna Amalia und Goethe- Freundin Luise von Göchhausen (1752–1807).<ref>Brief der Adele von Göchhausen-Reichard an Anton Kippenberg, Dresden 4. Mai 1934: „Berichtigen möchte ich, dass mein Grossvater [Carl Emil Constantin] v. Göchhausen in Gotha der Erbe des Nachlasses der Frl. v. Göchhausen u. aller ihrer werthvollen Schriften m. dem Ur-Faust gewesen ist u. nach dessen Tod derselbe in den Besitz meines Vaters [Bruno v. Göchhausen-Reichard] übergegangen war, also nicht meines Bruders [Ernst v. Göchhausen-Reichard], wie Sie in Ihrem letzten Brief an mich angenommen haben.“ Marbach, Literaturarchiv.</ref> Mit dem Vater seines Schwiegersohns von Göchhausen stand Reichard durch die Freimaurerei in Verbindung und „die Gleichheit unserer Meinungen machte mich schnell mit ihm bekannt, wie ich denn auch die Ehre hatte, zu Custines Zeiten zugleich mit ihm auf einer Guillotineliste zu stehen.“ (Uhde, 246). Als „Herzensfreund“ des Barons von Bechtolsheim kam Emil von Göchhausen mit diesem nach Gotha, der hier eine Jugendfreundin von Reichards Tochter heiratete.<ref>Uhde, 393 f; Carl Emil Frhr. von Bechtolsheim (1775–1810), heiratete zu Gotha 1807 Katharina Helene Alexandrina Gräfi n Duroux de Bueil (1787–1872), der Friedrich Jacobs 1803 den 2. Band seiner Vermischten Schriften widmete: Leben und Kunst der Alten. Der Bräutigam war ein Sohn des Eisenacher Kanzlers Ludwig von Bechtolsheim und der Julie Auguste Christiane Freiin von Keller (1753–1847) aus Stedten bei Erfurt, Hofdame auf Schloss Friedenstein zu Gotha, Wielands Psyche sowie Freundin von Goethe, Schiller und Herder (Georgenthal, 34; Oberndorff).</ref> Im Nachlass Reichard finden sich drei Briefe von Luise von Göchhausen an den „lieben Vetter“ Emil von Göchhausen in Eisenach, in denen es um literarische Fragen geht. Auf einem Brief ist mit anderer Handschrift vermerkt: „Tante Luise in Weimar“<ref>Familiennachlass 112–116; sieben Briefe des Emil von Göchhausen an den Verleger Cotta aus den Jahren 1815–1817 (Deutsches Literaturarchiv zu Marbach a. N.)</ref>. Reichard berichtet von seinem Schwiegersohn Baron von Göchhausen: „Durch das Erbe seiner am 7. September 1807 verstorbenen Tante Louise, welche als Hofdame der Herzogin Amalie von Weimar diese nach Italien begleitet hatte, war ihm ein eigenes Auskommen ziemlich gesichert.“ (Uhde, 394). Wie eng die Beziehung zwischen den verwandten Familien war, wird u. a. daran deutlich, dass Friedrich Jacobs nach dem 1812 frühzeitig erfolgten Tode seiner ersten Frau Christiane Seidler, im Jahre 1814 mit „v. Göchhausens“ zur Kur nach Karlsbad reiste, um seine, wie er es nannte, „zunehmende Harthörigkeit“ zu bekämpfen, leider ohne Erfolg (Jacobs 1840, 151). Auch Reichard war wegen der Krankheit seiner Frau Amalie Seidler öfters in Karlsbad zur Kur, zuletzt noch 1804, ein Jahr vor ihrem Tode (Uhde, 361). Charlotte von Göchhausen geb. Reichard ist 1825 in Gotha Patin bei dem ersten Kind ihrer Cousine Marie Gabriele Jacobs verheiratete Behm, der Tochter von Friedrich Jacobs und Christiane Seidler. Es gibt auch eine Beziehung zu Friedrich von Schiller. Schiller plante ursprünglich, Ettinger zu seinem Verleger zu nehmen, denn er war mit ihm und seiner Frau befreundet. In einem Brief an seinen Freund Körner schreibt Schiller am 29. 5. 1789 aus Jena: ''„Ein einziges Mädchen ist hier, das mir nicht übel gefällt, ich kannte sie auch schon vorher. Es ist die jüngste Schwester der Reichardt und Ettinger in Gotha, eine Seydler. Ohne viel Geist hat sie viel Gefälliges und viele Güte des Charakters und ohne gerade hübsch zu seyn, gefällt mir ihr äußerliches auch nicht übel. Sie lebt hier mit ihrer Mutter und ihrem Bruder, der Stallmeister bey der Universität ist [Vater der Malerin Louise Seidler]. Sie hat eine gute Erziehung und auch einige Feinheit des Umgangs, die man hier selten findet.“''<ref>Zitiert nach der Broschüre: 300 Jahre Buchhandlung Glaeser. Gotha 1690–1990, 9.</ref> Das Mädchen von dem Schiller hier spricht, war Dorothea Seidler, die jüngste Schwester von Caroline Ettinger, Amalie Reichard und Christiane Jacobs, in der Familie Dorette genannt. Beinahe wäre Reichard also auch ein Schwager von Schiller geworden. Aber es kam doch anders: 1814 kam Dorette nach einem achtjährigen Aufenthalt bei einem Pfarrerbruder in Reval nach Gotha und nahm Wohnung im Hause ihres verwitweten Schwagers Friedrich Jacobs. Den heiratete sie, statt Schillers, im selben Jahr als dessen zweite Frau und wurde so die eigentliche Mutter der fünf Kinder ihrer verstorbenen Schwester Christiane. Reichard hörte sogar in Erziehungsfragen auf seine Schwägerin Dorette und schreibt: „Auf das Zureden der […] Lieblingsschwester meiner verstorbenen Gattin, der guten Dorette, hatte ich im Beginn des Jahres 1806 meinen Sohn nach Weimar in eine Erziehungs-Anstalt gegeben, wo der Aufenthalt […] sichtlich zu seinem Besten gedieh.“ (Uhde, 375). Eine Nichte von Friedrich Jacobs war die schon mehrfach erwähnte Malerin Louise Seidler, die von 1800 bis 1803 das sogenannte „Pensionat der Doctorin Stieler“<ref>Die „Doctorin Stieler“ ist nicht die Ehefrau des Kartographen Adolph Stieler, Friederike geb. Madelung, wie in der Literatur immer wieder behauptet wird (so wieder Kaufmann, 482), sondern die erste Frau seines Bruders Dr. med. Ernst Wilhelm Hermann Stieler, Sophie Ludolfine geb. Burckhardt, die die von ihrem Schwiegervater, dem Hofrat und Ältesten Bürgermeister zu Gotha Caspar Hermann Nicolaus Stieler gegründete „Höhere Töchterschule“ oder auch „Stielersche Anstalt“ übernahm und leitete (Klebe 127; Archiv, 3).</ref> in Gotha besuchte und später in Jena und Weimar lebte. Die von Goethe geförderte und mit ihm befreundete Malerin ist ebenfalls Reichards angeheiratete Nichte.[[Datei:Vortrag REICHARD Seite 14 ji.jpg|mini|Bibliothekare und Verlagsbuchhändler in und aus Gotha]] In ihren im Jahre 2003 von Sylke Kaufmann neu herausgegebenen und zum ersten Mal gut kommentierten „Erinnerungen“ wird „Onkel Reichard“ mehrfach erwähnt. Louise Seidler (1786–1866), hatte eine gute Beziehung zu ihrem Onkel Jacobs in Gotha und zu dessen Sohn, dem Maler Emil Jacobs (1802–1866) ihrem Cousin (Emil Jacobs, 43 ff.). Sie schreibt in ihren Erinnerungen: „Meine liebste Zerstreuung bildeten kleine Reisen nach Gotha zu Ettingers, Reichards und der guten Tante Dorette, die ich nun als Frau des Philologen Jacobs wiederfand, dessen fünf Kinder aus erster Ehe sie musterhaft erzog. In allen drei gastfreien Häusern ging es stets sehr vergnüglich her; besonders belebt und anregend wußte meine Tante Ettinger ihre geselligen Vereinigungen zu gestalten, welchen oft der phantastische Erbprinz August von Gotha (der auch nicht fortblieb, als er den Thron bestieg) und sein Bruder Friedrich angehörten. Bisweilen wurden wir sogar zu kleinen Hoffesten eingeladen […] Um so lebhafter war meine Freude, als einst am Tage nach einem Hofballe Prinz August seine sämmtlichen Tänzerinnen, zu denen auch ich gehört hatte, mit Pariser Blumen beschenkte.“ (Kaufmann, 35). Mit dieser kleinen Anekdote schließe ich meine Ausführungen über „Reichards berühmte Verwandtschaft“, die gewiss noch ergänzungsbedürftig sind. Einen zusammenhängenden Überblick über die besprochenen Verwandtschafts- Beziehungen ermöglicht die nachstehende Übersicht „Bibliothekare und Verlagsbuchhändler aus und in Gotha“, sowie eine genealogische Tafel der Nachkommen Reichards bis heute. |
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Aktuelle Version vom 7. Dezember 2019, 21:10 Uhr
Ein Aufsatz von Rudolf W.L. Jacobs.
Durch seine 1786 in Weimar erfolgte Heirat mit der Tochter des Herzoglich Sachsen-Weimarischen Oberkonsistorialrats und Prinzenerziehers Johann Wilhelm Seidler, Christiane Amalie Dorothea, trat Heinrich August Ottocar Reichard in einen, auch für ihn bedeutenden Verwandtschaftskreis ein, der bis in die Nähe von Goethe reicht. Als Reichard ein Haus, gelegen an der Nordseite des Marktes zu Jena, nach über 20 Jahren wieder betrat, das nun im Besitz seines Schwagers, des Universitäts- Buchhändlers und -verlegers Hieronymus Seidler war, erinnerte er sich einer dort als Student erlebten heftigen Liebschaft mit Louise Krause, einer damals bekannten Schönheit Jenas und Tochter eines angesehenen Privatiers: „es war mein völliger Ernst gewesen, die schöne Louise heiraten zu wollen“ (Uhde, 70 f.). Dieser Schwager Hieronymus Wilhelm Christian Seidler (1765–1811) verlegte zunächst um 1800 in der „Seidlerischen Buchhandlung“ zu Altenburg, bevor er seine Verlagsbuchhandlung als „Privilegierter Akademischer Buchhändler“ nach Jena verlegte. In seinem Verlag erschien 1805 Reichards „Malerische Reise durch einen großen Theil der Schweiz“. „Diese ‚malerische Reise‘, […] darf ich mit Recht mein Werk nennen“, schreibt Reichard in seiner Selbstbiografie, „denn sie ist, wie mein noch vorhandener Briefwechsel mit meinem Verleger bezeugen kann, ganz von mir.“ (Uhde, 107) Die älteste Tochter von Hieronymus Seidler, Amalie Wilhelmine Caroline (1795–1866), war mit dem späteren General-Superintendenten des Herzogtums Coburg Wilhelm Genssler (1793–1858) verheiratet. Genssler vollzog die Trauung des Herzogs Edward von Kent mit Victoria von Sachsen-Coburg-Saalfeld, verwitwete Fürstin von Leiningen, der Eltern von Queen Victoria. Gensslers Tochter Therese (1818–1888) wurde die Frau des Geheimen Konsistorialrats Johann Christoph Florschütz (1794–1882). Der Rat Florschütz, wie er in der Literatur häufig genannt wird (Florschütz, 18), war der langjährige Hofmeister und Erzieher der beiden gothaischen Prinzen Ernst und Albert, des späteren Herzog Ernst II. von Sachsen-Coburg und Gotha sowie des Prinzgemahls von Queen Victoria.
Des Verlagsbuchhändlers Seidler einziger Sohn Carl Hieronymus Seidler (1808–1876) wurde „Gouverneur der jungen Fürsten Schwarzenberg zu Wien“. Mit Carl III. Fürst zu Schwarzenberg verband ihn eine lebenslange Freundschaft.[1] Vom Jurastudium aus Jena nach Gotha zurückgekehrt, fand Reichard Anschluss an einen Kreis von 16 bis18 jungen Männern aus den besten Familien Gothas. Hier lernte er auch seinen späteren Schwager Carl Wilhelm Ettinger kennen; dieser gehörte zu den bedeutendsten Verlagsbuchhändlern der damaligen Zeit. Er war geboren in Eisenach am 5. 6. 1741 als Sohn eines Korporals der Fürstlichen Garde zu Fuß und späteren Stadtleutnants Johann Daniel Ettinger, auch Öttinger geschrieben, dessen Herkunftsort in einer Musterungsliste mit „Basel“ angegeben ist. Aber trotz umfangreicher Forschungen u. a. des schwedischen Ingenieurs und Nachkommens Peter Lundblad in Stockholm konnte seine Herkunft weder in Basel noch anderswo lokalisiert werden[2]. Auch Ettingers Bildungsweg liegt bis heute im Dunkeln. Er war eine Zeitlang Faktor in der Verlagsbuchhandlung des Johann Christian Dieterich, bis dieser von Gotha nach Göttingen wechselte und er die Verlagsbuchhandlung in Gotha schließlich selbst übernahm. Dieterich in Göttingen, seit Gothaer Zeiten mit Reichard befreundet, wurde auch dessen Verleger, besonders für den Revolutions-Almanach, der ein Verlagsrenner wurde und Reichard für den Jahrgang 300 Taler einbrachte. Ob Reichard wusste, dass er auch mit seinem Verleger Johann Christian Dieterich um die Ecke verwandt war? Dieterichs Schwester Dorothea Louise nämlich war verheiratet mit dem Herzogl. Sachsen-Gothaischen Rat und Amtsphysikus der Herrschaft Tonna und des Amtes Volkenroda Dr. med. Friedrich Heinrich Jacobs, 1725–1796, einem Halbonkel von Reichards Schwager Friedrich Jacobs. Der Zug zum Bibliophilen scheint bei den Dieterich-Nachkommen sich vererbt zu haben. Die Tochter des Amtsphysikus Jacobs und der geborenen Dieterich, Johanna Sophia Christiana Friederika Jacobs (1763–1815), heiratete den Amtmann zu Gräfentonna Carl Renatus Thienemann (1751–1803). Ein Sohn dieses Ehepaars begründete den Stuttgarter „Karl-Thienemanns-Verlag“, der vor allem als Kinderbuch- Verlag bis heute existiert; von einem anderen Sohn, dem Gothaer Hofrat und Kammerkonsulenten Johann Friedrich Wilhelm Thienemann (1784–1836), stammt die bekannte Gothaer Verlagsbuchhändlerfamilie Thienemann ab. Der Kammerkonsulent gehört zu den sogenannten „Sieben Weisen Alt-Gothas“, deren Aussehen ein Neffe Reichards, der Hofmaler Paul Emil Jacobs, in einem Gruppenportrait uns überliefert hat. Die Tochter Sophie und der Sohn Ernst Thienemann heiraten in die Verlegerfamilie des Friedrich Perthes ein. Auch der in Gotha geborene Vater der deutschen Limnologie[3], Professor an der Universität Kiel, August Thienemann, gehört zu den Nachkommen des Kammerkonsulenten. Der Verleger Ettinger verkehrte in Gotha nicht nur bei Hofe, sein Haus war bald einer der literarischen und geistigen Mittelpunkte Gothas. Auswärtige Gelehrte, Dichter und Schriftsteller, die Gotha besuchten, kehrten bei ihm ein. Nach dem Bericht seiner Nichte, der Goethe-Malerin Louise Seidler, hatte sein Haus in Gotha etwa dieselbe Stellung wie das des bekannten Verlagsbuchhändlers Frommann in Jena (Schirmer, 59).
Die Schwiegereltern von Ettinger, Jacobs und Reichard, Johann Wilhelm Seidler und seine Frau Marie Elisabeth geb. Pyrner[4]
In Ettingers Verlag erschienen auch die ersten literarischen Versuche Reichards. Ettinger hatte in der Kaufmannskirche zu Erfurt am 15. August 1782 die 30-jährige Anna Caroline Seidler (1752–1823) geheiratet; in ihrer ersten Ehe war sie nur kurz verheiratet gewesen, als zweite Frau des Ersten Diakonus an der Stadtkirche St. Petri und Pauli zu Weimar Magister Erdmann Siegmund Basch, der schon 1773 starb, und ein Sohn des Weimarischen General-Superintendenten D. theol. Sigismund Basch war. Caroline war das zweite Kind des damaligen Professors und Bibliothekars am Collegium Carolinum zu Braunschweig Johann Wilhelm Seidler, wo sie 1752 geboren wurde. Seidler, der als „meuble très utile“ durch Herzogin Anna Amalia nach Weimar kam[5], war Theologe, wurde Oberkonsistorialrat und war zusammen mit Wieland und Knebel Erzieher der beiden Prinzen Carl August und Constantin. In Weimar wohnten die Seidlers damals in dem sog. Gelben Schloss, Wand an Wand mit der Familie Kotzebue; die Kinder beider Familien waren Jugendgespielen (Schirmer, 58).5 Als 20-jährige Witwe kehrte Caroline zunächst ins Vaterhaus zurück, wo sie im Verkehr mit der Hofgesellschaft die Versäumnisse ihrer Jugendzeit nachzuholen Gelegenheit fand. Das Leben in Weimar, schon unter Herzogin Anna Amalias Regierung besonders anregend, gewann mit dem Regierungsantritt von Herzog Carl August und Goethes Anwesenheit seit 1775 einen unerhörten Zauber. Auch Caroline, die durch die Hinterlassenschaft ihres verstorbenen Mannes materiell unabhängig geworden war, wird sich diesem interessanten Leben nicht verschlossen haben. Wir wissen, dass sie in dieser Zeit befreundet war mit der berühmten Corona Schröter (1751–1802), der von Goethe an den Weimarer Hof gezogenen Sängerin und Tragödin. Auch gehörte sie zu dem ausgewählten Freundeskreis der Goethe- Freundin Charlotte von Stein (Schirmer, 58 f.). Nach dem Tode Ettingers am 14. Juni 1804 führte sie die Ettingersche Verlagsbuchhandlung mit ihrem Sohn Carl Ottocar Ettinger fort. Die Tochter des Verlegers Ettinger, Caroline (1783–1847), heiratete 1811 den Bibliothekar und Schriftsteller zu Gotha und späteren Gymnasialdirektor zu Bromberg August Arnold. Sie pflegte ihre Tante Amalie Reichard während ihrer langen Krankheit und hatte auch nach deren Tod eine besondere Beziehung zu ihrem Onkel Reichard, die sich u. a. in gemeinsam unternommenen Reisen ausdrückte. Ihr ist das einzige im Druck erschienene Werk des Gothaer Herzogs August Emil Leopold (1772–1822) zugeeignet, wie das vorgedruckte Akrostichon[6] ausweist: „einem damals in ihrer Blüthe stehenden, sehr gebildeten Frauenzimmer, welches bei anmutiger Jugendfrische und ein paar schönen Augen Begabung und Liebenswürdigkeit vereinigte“, weiß Reichard von seiner Nichte zu berichten (Uhde, 496). Das Werk ist unter dem Titel „Kyllenion oder ein Jahr in Arkadien“ zu Gotha bei Ettinger 1805 erschienen.
Der Sohn Carl Eduard Ettinger (1788–1853) wurde Adjutant des Prinzen Friedrich, des späteren Herzog Friedrich IV. von Sachsen-Gotha-Altenburg, mit dem er in Rom lebte, und dessen Hofrat und Hofmarschall er bis zu dessen Tode 1825 war.[7] Zwischen dem Prinzen Friedrich und Reichard gibt es einen umfangreichen Briefwechsel aus der Zeit des Prinzen in Rom, vermittelt durch seinen Adjutanten Eduard Ettinger, dem Neffen Reichards. Von diesen Briefen sind jedoch nur diejenigen des Prinzen an Reichard erhalten. In einem Schreiben des Prinzen aus Rom, vom 10. 6. 1820, heißt es in der Anrede: „Lieber guter braver Reichard! Freund meines Vaters und mein Freund!“ und am Schluss: „Immer wie immer Ihr treuer Sie liebender Freund Friedrich Pr.“ (Familiennachlass) – Von Reichards Neffen Eduard Ettinger, berichtet die Malerin Louise Seidler, dass dieser Cousin ihr während ihres Studienaufenthaltes „in Italien ein hilfreicher Freund geworden“ (Kaufmann, 10) sei. Durch Ettinger lernte Reichard, der seinen Freund bei dessen Besuchen in Weimar und im Hause Seidler zu begleiten pfl egte, auch seine spätere Frau Amalie kennen. Christiana Amalia Dorothea Seidler war das siebte Kind und dritte Tochter des Weimarischen Oberkonsistorialrats Johann Wilhelm Seidler und zu Weimar am 10. 10. 1763 geboren worden. Bei des Vaters Tod 1777 war sie erst 13 1/2 Jahre alt und wurde, kaum herangewachsen, zweite Gouvernante bei der kleinen weimarischen Prinzessin Louise, denn im Hause der Witwe Seidler mit zehn, teils noch heranwachsenden Kindern, war Schmalhans Küchenmeister. Als die kleine Prinzessin am 24. 3. 1784 fünfjährig starb und Amalie dadurch ihre Stellung verlor, nahm sie die Einladung ihrer inzwischen nach Gotha verheirateten Schwester Caroline Ettinger gerne an. Hier entwickelte sich aus der Bekanntschaft Reichards mit Amalie Seidler mehr. Obwohl Amalie arm war und nicht einmal eine Aussteuer zu erwarten hatte, bat Reichard sie, seine Frau zu werden. Das Jawort erhielt er gelegentlich des gemeinsam besuchten Fronleichnam-Festes 1785 in Erfurt. Am 3. 2. 1786 wurde die Hochzeit gefeiert.[8] Nach Reichards Schwager Friedrich Jacobs war sie „nicht nach Neigung, sondern nach dem Wunsche der Ihrigen verheirathet“ (Jacobs 1840, Autobiografi e). Dazu stimmt, was sie in einem Abschiedsbrief an ihre 17-jährige Tochter Charlotte, später verheiratete von Göchhausen, am 31. 5. 1805, wenige Wochen vor ihrem Tod schreibt: „Ich habe mit Deinem guten rechtschaffenen Vater sehr glücklich 19 Jahre gelebt, er hat mir, so wie ich hoffe ich ihm, nie Anlaß zu Mißvergnügen gegeben, in Euch meine lieben Kinder, genoß ich ein neues Glück, was die Bande der Liebe u. Freundschaft noch fester u. enger zwischen mir u. Eurem Vater zusammen zog […]“. Weiter heißt es darin: „Du hast gesehen daß dein Vater u. ich gewiß uns sehr liebten u. glaubst du wohl, meine Liebe das ich ihn ohne Liebe nahm? nur Freundschaft u. Achtung für seinen Charakter hatte. Hieraus kannst du sehen, wie es nicht immer nothwendig ist, aus Zährtlichkeit von beiden Seiten zu heyrathen.“ (Familiennachlass, 55–57). In den gesellschaftlichen Kreisen der bürgerlichen Häuser Gothas lernte Friedrich Jacobs, seit 1785 Professor am Gothaer Gymnasium Illustre, Amalie Reichard kennen. Jacobs wurde von dem ganzen Wesen der jungen Frau so bezaubert, dass er eine tiefe Zuneigung zu ihr fasste, die er sich allerdings selbst nicht eingestand.
In seiner Autobiografie schreibt Jacobs: „Um die Zeit […] trat Amalie S. in unsre gesellschaftlichen Kreise ein, und zog sogleich alle Blicke an, sowohl durch die Schönheit ihrer Gestalt, als auch durch die Anmuth, die sie umkleidete, die Heiterkeit ihres ganzen Wesens, ihre sittsame Freundlichkeit, ihre Worte, ihre Mienen, und ihre Bewegungen, und Alles dieses in einer so natürlichen Harmonie, daß es schwer oder unmöglich gewesen wäre, eine Einzelheit zu nennen, durch die sie gefi el.“ Jacobs schreibt weiter: „Ich machte die Bekanntschaft dieser liebenswürdigen Frau geraume Zeit nach ihrer Verheirathung [1786]; und es bildete sich ein Verhältnis zu ihr, das wie Liebe erschien, aber nur Bewunderung und Zuneigung war. Es hat Zeiten gegeben, wo ich sie täglich, bald in ihrem Hause, bald in Gesellschaft, allein und unter Andern sah, ohne daß je ein Wort von Liebe gesprochen wurde.“ Er bekennt aber bei ihrem Tod 1805: „Eine andere ihres Geschlechts von gleicher Anmuth und Liebenswürdigkeit hab’ ich nicht wieder gefunden.“ (Jacobs 1840, 41 f.; 64). Zu ihrem letzten, dem 41. Geburtstag am 10. 10. 1804 sandte Friedrich Jacobs ihr folgende Verse: „Heute steigen zu Dir der Gesundheit Genien nieder, Wenn mein frommes Gebet die Himmlischen rührt; Steigen nieder zu Dir und legen mit leiser Berührung Um Dein krankendes Haupt Kränze von magischer Kraft!“ (Uhde, 362) Diese Zuneigung übertrug Friedrich Jacobs auf Amalies jüngere Schwester Johanna Christiana Seidler (1769–1812), die ihr an Gestalt die ähnlichste war und die er im Hause Reichard kennen lernte, wo dann auch bald die Verlobung stattfand (Schirmer, 29). Die Trauung fand 1792 in Denstedt bei Weimar statt.[9] Der Altertumswissenschaftler und Neuhumanist Friedrich Jacobs (1764–1847) ist die bedeutendste Persönlichkeit in der angeheirateten Verwandtschaft von Reichard. Die ehemalige Karolinenstraße unterhalb von Schloss Friedenstein in Gotha trägt seinen Namen: Friedrich-Jacobs-Straße. Dort stand sein Wohn- und Sterbehaus, das leider im 2. Weltkrieg vollständig zerstört wurde. Auch seine Grabstätte existiert nicht mehr; sie befand sich in dem Jacobs-Mausoleum auf dem zerstörten Alten Friedhof I. Die schlichte Grabplatte, deren Text abgebildet ist in Schneiders Gothaer Gedenkbuch (Schneider, G., 69), wird im Museum für Regionalgeschichte und Volkskunde aufbewahrt. Friedrich Jacobs entstammte einer alten Gothaer Beamtenund Gelehrtenfamilie, die sich auf den 1680 aus Flensburg kommenden Bürgermeisterssohn und späteren Gothaer Vizekanzler Johann Jacobs (1648–1732) zurückführt. Sein Großvater Dr. med. Friedrich Wilhelm Jacobs, war Hofmedikus und langjähriger Bürgermeister von Gotha; eine zweite Ehe schloss der Hofmedikus mit Susanna Sophia Gotter, Tochter des Gothaer Kirchenlieddichters Ludwig Andreas Gotter, und Cousine des berühmten Diplomaten Friedrichs des Großen, des Grafen Gustav Adolf von Gotter auf Schloss Molsdorf. Ein Enkel des Kirchenlieddichters war Reichards Freund, der Dichter, Theaterliebhaber und Goethe-Freund Johann Friedrich Wilhelm Gotter (1746– 1797); dessen Tochter Pauline Gotter wurde die zweite Gattin des Philosophen Friedrich Wilhelm von Schelling. Aus der dritten Ehe des Hofmedikus mit der Witwe des Gothaer Historiographen und Numismatikers Christian Siegmund Liebe, Herausgeber des numismatischen Prachtwerks Gotha Numaria 1730, entstammte nur ein Sohn Wilhelm Heinrich Jacobs. Dieser wurde Jurist und war eine Zeitlang auch Bürgermeister von Gotha, dann Amtmann zu Georgenthal; verheiratet war er mit Dorothea Magdalena, einer Bürgermeisterstochter aus der Gothaer Kaufmann- und Ratsherrenfamilie Madelung; diese wurde die Mutter des Altertumswissenschaftlers Friedrich Jacobs.
. Für Reichard war er „der geistreiche, nun auch (am 20. Februar 1818) verstorbene Bürgermeister Jacobs – der würdige Vater meines späteren Schwagers, des großen Philologen“ (Uhde, 115). In dritter Ehe heiratete Wilhelm Heinrich Jacobs die Schwester des Gothaer Publizisten und Napoleongegners Rudolf Zacharias Becker, die damit zur Stiefmutter von Friedrich Jacobs wurde.Nach dem Abitur auf dem Gothaer Gymnasi- um Illustre Ostern 1781, also mit 16 Jahren, studierte Friedrich Jacobs zunächst Theologie in Jena, wandte sich aber bald den alten Sprachen und Altertumswissenschaften zu, die er ab 1784 in Göttingen studierte. Bereits mit 21 Jahren wurde Jacobs selbst Professor für Griechisch, Latein und Deutsch am Gothaer Gymnasium Illustre, an dem er 22 Jahre lang segensreich wirkte. Im Jahr 1807 erhielt er einen Ruf nach München als Professor der klassischen Literatur am Lyzeum und als Mitglied in die Bayerische Akademie der Wissenschaften einzutreten. Vom bayerischen Kronprinzen, dem späteren König Ludwig I., hatte er den Auftrag erhalten, ihm Vorlesungen über das griechische Altertum zu geben; diese Vorträge, nach dem Tode von Jacobs unter dem Titel Hellas von Wüstemann herausgegeben[10], haben, zusammen mit dem Einfluß von Jacobs’ Freund, dem Philhellenen Friedrich Thiersch, den Kronprinzen so beeinfl usst, dass er später als König München zur Kunststadt gemacht und mit klassizistischen Bauten geprägt hat. Nach Gotha wegen der sog. „Aretinischen Streitigkeiten“[11] zurückgekehrt, wurde Friedrich Jacobs von Herzog August zum Oberbibliothekar und Aufseher des Münzkabinetts ernannt; schließlich wurde er Direktor der gesamten wissenschaftlichen und Kunstsammlungen auf Schloss Friedenstein. Viele gelehrte Gesellschaften im In- und Ausland, wie die in Paris, Rom, Neapel, Kopenhagen, St. Petersburg, um nur einige zu nennen, ernannten ihn zu ihrem Mitglied. Was macht nun die Bedeutung von Friedrich Jacobs aus? Da ist zunächst seine enorme philologische Leistung, die kulminiert in der Herausgabe der Anthologia Graeca in 12 Bänden[12], dann seine bibliothekarische Arbeit mit der von ihm verfassten ersten Geschichte der mittlerweile fast 200 Jahre alten Gothaer Bibliothek. Neben seinen wissenschaftlichen Publikationen hatte er auch als Übersetzer, Erzähler sowie als Jugendschriftsteller sein Publikum. Nach dem Urteil von Rudolf Ehwald, einem seiner Nachfolger in der Leitung der Herzoglichen Bibliothek, hat Jacobs, „wie jeder bedeutende Mensch, zunächst und am unmittelbarsten mit seiner Persönlichkeit gewirkt, […] er ist einer der Hauptförderer gewesen in der zweiten Renaissance der deutschen Literatur, in der die Wirkung des Griechischen sich geltend machte.“ (Ehwald, 141). Sein zweiter Sohn Wilhelm Jacobs (1794–1848), Jurist und Amtskommissar zu Gotha, heiratete in zweiter Ehe 1833 Charlotte Pauline Bretschneider (1809– 1861), die Tochter des General-Superintendenten des Herzogtums Gotha, Carl Gottlieb Bretschneider, eines Freimaurerbruders von Reichard. Ein anderer Sohn ist der Historien- und Portraitmaler Paul Emil Jacobs (1802– 1866), auch ein Neffe Reichards. Ob das verschollene Ölbild-Portrait Reichards in der Gothaer Freimaurerloge vielleicht von Emil Jacobs oder seiner Cousine Louise Seidler stammte, konnte ich nicht klären. Reichards einzige Tochter Charlotte Friederike Elisabeth Adelaide Auguste (1788–1873), von der allein er bis heute Nachkommen hat[13], heiratete 1808 den preußischen Leutenant und späteren Gothaischen Kammerrat Carl Emil Constantin von Göchhausen (1778–1855); dieser war ein Sohn des sachsen-weimar-eisenachischen Geheimen Rats Ernst August Anton von Göchhausen, eines Vetters der vertrauten Hofdame der Weimarischen Herzogin Anna Amalia und Goethe- Freundin Luise von Göchhausen (1752–1807).[14] Mit dem Vater seines Schwiegersohns von Göchhausen stand Reichard durch die Freimaurerei in Verbindung und „die Gleichheit unserer Meinungen machte mich schnell mit ihm bekannt, wie ich denn auch die Ehre hatte, zu Custines Zeiten zugleich mit ihm auf einer Guillotineliste zu stehen.“ (Uhde, 246). Als „Herzensfreund“ des Barons von Bechtolsheim kam Emil von Göchhausen mit diesem nach Gotha, der hier eine Jugendfreundin von Reichards Tochter heiratete.[15] Im Nachlass Reichard finden sich drei Briefe von Luise von Göchhausen an den „lieben Vetter“ Emil von Göchhausen in Eisenach, in denen es um literarische Fragen geht. Auf einem Brief ist mit anderer Handschrift vermerkt: „Tante Luise in Weimar“[16]. Reichard berichtet von seinem Schwiegersohn Baron von Göchhausen: „Durch das Erbe seiner am 7. September 1807 verstorbenen Tante Louise, welche als Hofdame der Herzogin Amalie von Weimar diese nach Italien begleitet hatte, war ihm ein eigenes Auskommen ziemlich gesichert.“ (Uhde, 394). Wie eng die Beziehung zwischen den verwandten Familien war, wird u. a. daran deutlich, dass Friedrich Jacobs nach dem 1812 frühzeitig erfolgten Tode seiner ersten Frau Christiane Seidler, im Jahre 1814 mit „v. Göchhausens“ zur Kur nach Karlsbad reiste, um seine, wie er es nannte, „zunehmende Harthörigkeit“ zu bekämpfen, leider ohne Erfolg (Jacobs 1840, 151). Auch Reichard war wegen der Krankheit seiner Frau Amalie Seidler öfters in Karlsbad zur Kur, zuletzt noch 1804, ein Jahr vor ihrem Tode (Uhde, 361). Charlotte von Göchhausen geb. Reichard ist 1825 in Gotha Patin bei dem ersten Kind ihrer Cousine Marie Gabriele Jacobs verheiratete Behm, der Tochter von Friedrich Jacobs und Christiane Seidler. Es gibt auch eine Beziehung zu Friedrich von Schiller. Schiller plante ursprünglich, Ettinger zu seinem Verleger zu nehmen, denn er war mit ihm und seiner Frau befreundet. In einem Brief an seinen Freund Körner schreibt Schiller am 29. 5. 1789 aus Jena: „Ein einziges Mädchen ist hier, das mir nicht übel gefällt, ich kannte sie auch schon vorher. Es ist die jüngste Schwester der Reichardt und Ettinger in Gotha, eine Seydler. Ohne viel Geist hat sie viel Gefälliges und viele Güte des Charakters und ohne gerade hübsch zu seyn, gefällt mir ihr äußerliches auch nicht übel. Sie lebt hier mit ihrer Mutter und ihrem Bruder, der Stallmeister bey der Universität ist [Vater der Malerin Louise Seidler]. Sie hat eine gute Erziehung und auch einige Feinheit des Umgangs, die man hier selten findet.“[17] Das Mädchen von dem Schiller hier spricht, war Dorothea Seidler, die jüngste Schwester von Caroline Ettinger, Amalie Reichard und Christiane Jacobs, in der Familie Dorette genannt. Beinahe wäre Reichard also auch ein Schwager von Schiller geworden. Aber es kam doch anders: 1814 kam Dorette nach einem achtjährigen Aufenthalt bei einem Pfarrerbruder in Reval nach Gotha und nahm Wohnung im Hause ihres verwitweten Schwagers Friedrich Jacobs. Den heiratete sie, statt Schillers, im selben Jahr als dessen zweite Frau und wurde so die eigentliche Mutter der fünf Kinder ihrer verstorbenen Schwester Christiane. Reichard hörte sogar in Erziehungsfragen auf seine Schwägerin Dorette und schreibt: „Auf das Zureden der […] Lieblingsschwester meiner verstorbenen Gattin, der guten Dorette, hatte ich im Beginn des Jahres 1806 meinen Sohn nach Weimar in eine Erziehungs-Anstalt gegeben, wo der Aufenthalt […] sichtlich zu seinem Besten gedieh.“ (Uhde, 375). Eine Nichte von Friedrich Jacobs war die schon mehrfach erwähnte Malerin Louise Seidler, die von 1800 bis 1803 das sogenannte „Pensionat der Doctorin Stieler“[18] in Gotha besuchte und später in Jena und Weimar lebte. Die von Goethe geförderte und mit ihm befreundete Malerin ist ebenfalls Reichards angeheiratete Nichte.
In ihren im Jahre 2003 von Sylke Kaufmann neu herausgegebenen und zum ersten Mal gut kommentierten „Erinnerungen“ wird „Onkel Reichard“ mehrfach erwähnt. Louise Seidler (1786–1866), hatte eine gute Beziehung zu ihrem Onkel Jacobs in Gotha und zu dessen Sohn, dem Maler Emil Jacobs (1802–1866) ihrem Cousin (Emil Jacobs, 43 ff.). Sie schreibt in ihren Erinnerungen: „Meine liebste Zerstreuung bildeten kleine Reisen nach Gotha zu Ettingers, Reichards und der guten Tante Dorette, die ich nun als Frau des Philologen Jacobs wiederfand, dessen fünf Kinder aus erster Ehe sie musterhaft erzog. In allen drei gastfreien Häusern ging es stets sehr vergnüglich her; besonders belebt und anregend wußte meine Tante Ettinger ihre geselligen Vereinigungen zu gestalten, welchen oft der phantastische Erbprinz August von Gotha (der auch nicht fortblieb, als er den Thron bestieg) und sein Bruder Friedrich angehörten. Bisweilen wurden wir sogar zu kleinen Hoffesten eingeladen […] Um so lebhafter war meine Freude, als einst am Tage nach einem Hofballe Prinz August seine sämmtlichen Tänzerinnen, zu denen auch ich gehört hatte, mit Pariser Blumen beschenkte.“ (Kaufmann, 35). Mit dieser kleinen Anekdote schließe ich meine Ausführungen über „Reichards berühmte Verwandtschaft“, die gewiss noch ergänzungsbedürftig sind. Einen zusammenhängenden Überblick über die besprochenen Verwandtschafts- Beziehungen ermöglicht die nachstehende Übersicht „Bibliothekare und Verlagsbuchhändler aus und in Gotha“, sowie eine genealogische Tafel der Nachkommen Reichards bis heute.
Genealogische Tafel der Nachkommen Reichards bis heute
Einzelnachweise
- ↑ Zur Nachkommenschaft des Hieronymus Seidler, siehe DGB 739–741.
- ↑ Briefwechsel Lundblad aus den Jahren 1980 ff. im Archiv der Schleswig-Thür. Familie Jacobs.
- ↑ Limnologie ist die Wissenschaft von den Binnengewässern als Ökosysteme.
- ↑ Wahrscheinlich Kopien von Louise Seidler nach verschollenen Bildern, so Kovalevski, 506.
- ↑ Zur Herkunft Seidlers, siehe Seidler, 206; DGB 741–743.
- ↑ Poetische Stilform, bei der die aneinander gereihten Anfangsbuchstaben der einzelnen Worte ein neues Wort ergeben.
- ↑ Zur Nachkommenschaft Ettinger, siehe DGB, 732–734.
- ↑ Nach Uhde, 198 wurde die Trauung „in einer Dorfkirche durch meinen alten treuen Hofmeister Thielemann, der jetzt Pfarrer an dieser Kirche war“ vorgenommen. Reichard erwähnt den Namen des Dorfes und den Vornamen des Pfarrers nicht. Nach Bauer, 50, war ein Gottfried Heinrich Thielemann aus Gotha 1767–1797 Pfarrer in dem Dorfe Frienstedt Kr. Erfurt. Dort konnte der Traueintrag nunmehr nachgewiesen werden.
- ↑ Warum ausgerechnet in diesem kleinen Dorf, konnte ich nicht herausfi nden.
- ↑ Wüstemann, E. F. (Hrsg.): Hellas. Vorträge über Heimath, Geschichte, Literatur und Kunst der Hellenen von Friedrich Jacobs. Berlin 1852.
- ↑ Jacobs 1840, 414–419 „Händel mit dem Freiherrn von Aretin“: Beilagen 29, „Aretinische Händel“
- ↑ Jacobs, Friedrich: Anthologia Graeca, Bd. I–XII, Leipzig 1794–1803.
- ↑ Nachkommentafel der Ehe von Göchhausen/ Reichard als Ergänzung zu DGB Bd. 214, 738, s. Anhang.
- ↑ Brief der Adele von Göchhausen-Reichard an Anton Kippenberg, Dresden 4. Mai 1934: „Berichtigen möchte ich, dass mein Grossvater [Carl Emil Constantin] v. Göchhausen in Gotha der Erbe des Nachlasses der Frl. v. Göchhausen u. aller ihrer werthvollen Schriften m. dem Ur-Faust gewesen ist u. nach dessen Tod derselbe in den Besitz meines Vaters [Bruno v. Göchhausen-Reichard] übergegangen war, also nicht meines Bruders [Ernst v. Göchhausen-Reichard], wie Sie in Ihrem letzten Brief an mich angenommen haben.“ Marbach, Literaturarchiv.
- ↑ Uhde, 393 f; Carl Emil Frhr. von Bechtolsheim (1775–1810), heiratete zu Gotha 1807 Katharina Helene Alexandrina Gräfi n Duroux de Bueil (1787–1872), der Friedrich Jacobs 1803 den 2. Band seiner Vermischten Schriften widmete: Leben und Kunst der Alten. Der Bräutigam war ein Sohn des Eisenacher Kanzlers Ludwig von Bechtolsheim und der Julie Auguste Christiane Freiin von Keller (1753–1847) aus Stedten bei Erfurt, Hofdame auf Schloss Friedenstein zu Gotha, Wielands Psyche sowie Freundin von Goethe, Schiller und Herder (Georgenthal, 34; Oberndorff).
- ↑ Familiennachlass 112–116; sieben Briefe des Emil von Göchhausen an den Verleger Cotta aus den Jahren 1815–1817 (Deutsches Literaturarchiv zu Marbach a. N.)
- ↑ Zitiert nach der Broschüre: 300 Jahre Buchhandlung Glaeser. Gotha 1690–1990, 9.
- ↑ Die „Doctorin Stieler“ ist nicht die Ehefrau des Kartographen Adolph Stieler, Friederike geb. Madelung, wie in der Literatur immer wieder behauptet wird (so wieder Kaufmann, 482), sondern die erste Frau seines Bruders Dr. med. Ernst Wilhelm Hermann Stieler, Sophie Ludolfine geb. Burckhardt, die die von ihrem Schwiegervater, dem Hofrat und Ältesten Bürgermeister zu Gotha Caspar Hermann Nicolaus Stieler gegründete „Höhere Töchterschule“ oder auch „Stielersche Anstalt“ übernahm und leitete (Klebe 127; Archiv, 3).
Urheberrechtshinweis
ARCHIV DER SCHLESWIG-THUERINGISCHEN FAMILIE JACOBS Werkverzeichnis Gothaer Hofmaler Paul Emil JACOBS http://blog.familienarchiv-jacobs.de/ Deutsches Geschlechterbuch (DGB), Bd. 214, S. 267-946 Pastor Rudolf W. L. Jacobs, Friedrich-Ebert-Str. 43, D - 59425 Unna, Tel. 02303 158 52 e-mail: rwljacobs@aol.com