Friedrich Jacobs: Unterschied zwischen den Versionen
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Einer hochangesehenen Juristenfamilie Gothas entsprossen, war Friedrich Jacobs am 6. Oktober 1764, ein Jahr nach dem Schluss des Siebenjährigen Krieges geboren, in einer Zeit also, in der sich zugleich mit der ersten Begründung eines nationalen Empfindens überall der gewaltige Aufschwung der geistigen Entwicklung vorbereitete und ankündigte, die am Ende des Jahrhunderts jene einzig großartige Glanzzeit unserer Literatur herbeiführte, in einer Zeit, in der Wieland und Klopstock, Herder und Lessing ihre Bahnen zogen und der Winckelmann das Evangelium von der Herrlichkeit antiker Kunst neu verkündigt hatte. Jacobs selbst hat mit den Herden unserer Literatur, trotz der Vielseitigkeit seines literarischen Verkehrs, die ihn auch in gelegentlichen Briefwechsel mit Goethe brachten, keine intimeren Beziehungen gehabt; aber für seine begeisterte Bewunderung ihrer Größe ist doch ein charakteristisches Zeugnis vorhanden. Trotzdem Schiller in den „Xenien“ ihn wegen seiner Mitarbeit an einer kritischen Zeitschrift - und noch dazu ganz ohne Grund - mit dem beißenden Epigramm bedacht hatte: | Einer hochangesehenen Juristenfamilie Gothas entsprossen, war Friedrich Jacobs am 6. Oktober 1764, ein Jahr nach dem Schluss des Siebenjährigen Krieges geboren, in einer Zeit also, in der sich zugleich mit der ersten Begründung eines nationalen Empfindens überall der gewaltige Aufschwung der geistigen Entwicklung vorbereitete und ankündigte, die am Ende des Jahrhunderts jene einzig großartige Glanzzeit unserer Literatur herbeiführte, in einer Zeit, in der Wieland und Klopstock, Herder und Lessing ihre Bahnen zogen und der Winckelmann das Evangelium von der Herrlichkeit antiker Kunst neu verkündigt hatte. Jacobs selbst hat mit den Herden unserer Literatur, trotz der Vielseitigkeit seines literarischen Verkehrs, die ihn auch in gelegentlichen Briefwechsel mit Goethe brachten, keine intimeren Beziehungen gehabt; aber für seine begeisterte Bewunderung ihrer Größe ist doch ein charakteristisches Zeugnis vorhanden. Trotzdem Schiller in den „Xenien“ ihn wegen seiner Mitarbeit an einer kritischen Zeitschrift - und noch dazu ganz ohne Grund - mit dem beißenden Epigramm bedacht hatte: | ||
− | :''Auf den Widder stoßt ihr zuerst, den Führer der Schafe; | + | :''Auf den Widder stoßt ihr zuerst, den Führer der Schafe;'' |
− | :Aus den Journalen heraus sticht sein gewundenes Horn.'' | + | :''Aus den Journalen heraus sticht sein gewundenes Horn.'' |
hat Jacobs doch als Greis in das Schilleralbum die Verse geschrieben: | hat Jacobs doch als Greis in das Schilleralbum die Verse geschrieben: | ||
:''Widder im Tierkreis hieß ich dir einst. O wär ich es! Freudig | :''Widder im Tierkreis hieß ich dir einst. O wär ich es! Freudig | ||
− | :Brächt ich mein Fließ den Beherrschern des nächtlichen Reiches zum Lösgeld, | + | :''Brächt ich mein Fließ den Beherrschern des nächtlichen Reiches zum Lösgeld,'' |
− | :Und du, Göttlicher, kehrtest zurück zu den sehnenden Völkern.'' | + | :''Und du, Göttlicher, kehrtest zurück zu den sehnenden Völkern.'' |
Nachdem Jacobs, durch treffliche Lehrer schon auf der Schule für Griechenland und seine Schriftsteller und ebenso für das Amt eines Schulmannes begeistert, in Jena und Göttingen dem Studium der Theologie, das allein Brot versprach, und dem erst durch Friedrich August Wolf mündig gewordenen Studium der alten Sprachen, dem sein Herz gehörte, obgelegen hatte, wurde der rasch durch gelehrte Arbeiten bekannt gewordene junge Mann schon im August 1785 vom Generalsuperintendenten Koppe, der in Göttingen sein Lehrer gewesen war, in eine Lehrerstelle unseres Gymnasiums (es führte damals noch den Namen Gymnasium Illustre) eingewiesen. Hier hat er sich von Anfang an gemüht zu wirken nach dem Grundsatz, den er einmal in seinem Alter in die schönen Worte fasste: „Die Jugend auf die rechte Weise bilden, heißt sie bilden zur Menschheit, zur Humanität.“ In seinem Amte hatte er, zugleich mit großen, wissenschaftlichen Arbeiten beschäftigt, zum reichsten Segen der Schule und ihrer ihn mit Begeisterung verehrenden Schüler 22 Jahre ununterbrochen gewirkt, als im Jahre 1807 unter so glänzenden Bedingungen, wie sie ihm die Heimat niemals bieten konnte, der ehrenvolle Ruf an ihn erging, als Professor der alten Sprachen am Lyzeum und als Mitglied der Akademie der Wissenschaften - eine Universität hatte damals München noch nicht - nach der bayrischen Hauptstadt überzusiedeln. Und wahrlich für seinen Plan, den in Bayern arg vernachlässigten griechischen Studien eine Stätte zu bereiten, hätte der edle Max Joseph neben Friedrich Thiersch keinen geeigneteren Mann finden können als Friedrich Jacobs, der bei einer seltenen und erprobten Gelehrsamkeit nicht bloß verstandesmäßig das Hellenentum umfasste, sondern auch mit bewundernder warmherziger Liebe „das Land der Griechen mit der Seele suchte". Bald nach seinem Einzug in die Akademie hat er diesen Anschauungen beredten Ausdruck verliehen in jener herrlichen Festrede „Über die Erziehung der Hellenen zur Sittlichkeit“. | Nachdem Jacobs, durch treffliche Lehrer schon auf der Schule für Griechenland und seine Schriftsteller und ebenso für das Amt eines Schulmannes begeistert, in Jena und Göttingen dem Studium der Theologie, das allein Brot versprach, und dem erst durch Friedrich August Wolf mündig gewordenen Studium der alten Sprachen, dem sein Herz gehörte, obgelegen hatte, wurde der rasch durch gelehrte Arbeiten bekannt gewordene junge Mann schon im August 1785 vom Generalsuperintendenten Koppe, der in Göttingen sein Lehrer gewesen war, in eine Lehrerstelle unseres Gymnasiums (es führte damals noch den Namen Gymnasium Illustre) eingewiesen. Hier hat er sich von Anfang an gemüht zu wirken nach dem Grundsatz, den er einmal in seinem Alter in die schönen Worte fasste: „Die Jugend auf die rechte Weise bilden, heißt sie bilden zur Menschheit, zur Humanität.“ In seinem Amte hatte er, zugleich mit großen, wissenschaftlichen Arbeiten beschäftigt, zum reichsten Segen der Schule und ihrer ihn mit Begeisterung verehrenden Schüler 22 Jahre ununterbrochen gewirkt, als im Jahre 1807 unter so glänzenden Bedingungen, wie sie ihm die Heimat niemals bieten konnte, der ehrenvolle Ruf an ihn erging, als Professor der alten Sprachen am Lyzeum und als Mitglied der Akademie der Wissenschaften - eine Universität hatte damals München noch nicht - nach der bayrischen Hauptstadt überzusiedeln. Und wahrlich für seinen Plan, den in Bayern arg vernachlässigten griechischen Studien eine Stätte zu bereiten, hätte der edle Max Joseph neben Friedrich Thiersch keinen geeigneteren Mann finden können als Friedrich Jacobs, der bei einer seltenen und erprobten Gelehrsamkeit nicht bloß verstandesmäßig das Hellenentum umfasste, sondern auch mit bewundernder warmherziger Liebe „das Land der Griechen mit der Seele suchte". Bald nach seinem Einzug in die Akademie hat er diesen Anschauungen beredten Ausdruck verliehen in jener herrlichen Festrede „Über die Erziehung der Hellenen zur Sittlichkeit“. |
Version vom 29. August 2022, 16:33 Uhr
Ein Aufsatz von Rudolf Ehwald (1847-1927) aus 1909.
Im Dezember dieses Jahres werden es hundert Jahre, dass Friedrich Jacobs nach etwas länger als dreijährigem Aufenthalt in München nach seiner Vaterstadt zurückkehrte, um die Leitung der herzoglichen Sammlungen auf dem Friedenstein zu übernehmen. So bietet sich auch ein äußerer Anlass, das Gedächtnis dieses trefflichen Mannes zu erneuern, der einer der besten Söhne unseres Landes gewesen ist. In einem Buche, das eine Perle in der glänzenden Reihe deutscher Biographien bildet, hat Jacobs als mehr denn siebzigjähriger Greis sein Leben selbst beschrieben; ihm ist das meiste entnommen, was im folgenden über sein äußeres Leben mitgeteilt wird. Sein von seinem Sohne gemaltes Bild ist jenem Buche beigegeben; in gelungener Wiederholung ist es auch diesem Aufsatze vorgesetzt, um die leiblichen Züge des verehrungswürdigen Mannes dem Leser lebendig zu machen.
Einer hochangesehenen Juristenfamilie Gothas entsprossen, war Friedrich Jacobs am 6. Oktober 1764, ein Jahr nach dem Schluss des Siebenjährigen Krieges geboren, in einer Zeit also, in der sich zugleich mit der ersten Begründung eines nationalen Empfindens überall der gewaltige Aufschwung der geistigen Entwicklung vorbereitete und ankündigte, die am Ende des Jahrhunderts jene einzig großartige Glanzzeit unserer Literatur herbeiführte, in einer Zeit, in der Wieland und Klopstock, Herder und Lessing ihre Bahnen zogen und der Winckelmann das Evangelium von der Herrlichkeit antiker Kunst neu verkündigt hatte. Jacobs selbst hat mit den Herden unserer Literatur, trotz der Vielseitigkeit seines literarischen Verkehrs, die ihn auch in gelegentlichen Briefwechsel mit Goethe brachten, keine intimeren Beziehungen gehabt; aber für seine begeisterte Bewunderung ihrer Größe ist doch ein charakteristisches Zeugnis vorhanden. Trotzdem Schiller in den „Xenien“ ihn wegen seiner Mitarbeit an einer kritischen Zeitschrift - und noch dazu ganz ohne Grund - mit dem beißenden Epigramm bedacht hatte:
- Auf den Widder stoßt ihr zuerst, den Führer der Schafe;
- Aus den Journalen heraus sticht sein gewundenes Horn.
hat Jacobs doch als Greis in das Schilleralbum die Verse geschrieben:
- Widder im Tierkreis hieß ich dir einst. O wär ich es! Freudig
- Brächt ich mein Fließ den Beherrschern des nächtlichen Reiches zum Lösgeld,
- Und du, Göttlicher, kehrtest zurück zu den sehnenden Völkern.
Nachdem Jacobs, durch treffliche Lehrer schon auf der Schule für Griechenland und seine Schriftsteller und ebenso für das Amt eines Schulmannes begeistert, in Jena und Göttingen dem Studium der Theologie, das allein Brot versprach, und dem erst durch Friedrich August Wolf mündig gewordenen Studium der alten Sprachen, dem sein Herz gehörte, obgelegen hatte, wurde der rasch durch gelehrte Arbeiten bekannt gewordene junge Mann schon im August 1785 vom Generalsuperintendenten Koppe, der in Göttingen sein Lehrer gewesen war, in eine Lehrerstelle unseres Gymnasiums (es führte damals noch den Namen Gymnasium Illustre) eingewiesen. Hier hat er sich von Anfang an gemüht zu wirken nach dem Grundsatz, den er einmal in seinem Alter in die schönen Worte fasste: „Die Jugend auf die rechte Weise bilden, heißt sie bilden zur Menschheit, zur Humanität.“ In seinem Amte hatte er, zugleich mit großen, wissenschaftlichen Arbeiten beschäftigt, zum reichsten Segen der Schule und ihrer ihn mit Begeisterung verehrenden Schüler 22 Jahre ununterbrochen gewirkt, als im Jahre 1807 unter so glänzenden Bedingungen, wie sie ihm die Heimat niemals bieten konnte, der ehrenvolle Ruf an ihn erging, als Professor der alten Sprachen am Lyzeum und als Mitglied der Akademie der Wissenschaften - eine Universität hatte damals München noch nicht - nach der bayrischen Hauptstadt überzusiedeln. Und wahrlich für seinen Plan, den in Bayern arg vernachlässigten griechischen Studien eine Stätte zu bereiten, hätte der edle Max Joseph neben Friedrich Thiersch keinen geeigneteren Mann finden können als Friedrich Jacobs, der bei einer seltenen und erprobten Gelehrsamkeit nicht bloß verstandesmäßig das Hellenentum umfasste, sondern auch mit bewundernder warmherziger Liebe „das Land der Griechen mit der Seele suchte". Bald nach seinem Einzug in die Akademie hat er diesen Anschauungen beredten Ausdruck verliehen in jener herrlichen Festrede „Über die Erziehung der Hellenen zur Sittlichkeit“.
Der Entschluss des Scheidens fiel Jacobs sehr schwer. Bewegten Gemütes nahm er am 24. Oktober 1807 Abschied von seiner Schule in einer tiefempfundenen Ansprache, die zugleich den besten Aufschluss gibt, in welch hohem Sinn und mit welcher Freudigkeit er seine Tätigkeit als Lehrer und Erzieher aufgefasst hat. Den Abschiedsgruß an seine Vaterstadt aber schloss er mit den Worten: „Mögen, wie bisher, die Stürme politischer Veränderungen dein Haupt unberührt lassen und das Brausen der wilden Wellen dich, wie bisher, nur von fern beunruhigen!" Die wilden Wellen, von denen Jacobs damals sprach, sind die der Napoleonischen Kriege, die ein Jahr vorher das deutsche Reich aus den Fugen getrieben und die Macht Preußens zertrümmert hatten. Zwei Jahre vorher hatte Napoleon in der Dreikaiserschlacht von Austerlitz, Österreich und Russland bezwungen; die deutschen Fürsten - unter ihnen auch der Herzog von Gotha - hatten sich im Rheinbund in den Vasallendienst des Gewaltigen gestellt, und wenige Monate vor Jacobs' Rede hatte nach heldenmütigem Widerstand Preußens König an der fernsten Ostgrenze des Königreichs den Frieden von Tilsit schließen müssen, der ihn der Hälfte seines Gebietes beraubte. Es waren trübe Jahre, deren Last schwer auf jedem patriotischen Herzen lag; aber auch in diesen jammervollen Zeiten hat Friedrich Jacobs den Mut und die Hoffnung niemals verloren, denn er vertraute auf den Genius des Vaterlandes und die Gerechtigkeit dessen, der die Geschicke der Völker lenkt.
Die trüben Ahnungen, mit denen er nach München gezogen, hatten Jacobs leider nicht getäuscht. Der immer lebendige Gegensatz zwischen Nord und Süd ward damals noch verschärft durch die enge Verbindung strengen Bayerntums mit untertäniger Verehrung Napoleons, durch dessen Gnade Bayern Königtum geworden, und dem zu dienen man sich um so weniger scheute, je rücksichtsloser der stolze Korse in Bayern verfuhr; dass der Entscheidungskampf gegen Fremdherrschaft und vaterlandslose Gesinnung vom Norden vorbereitet und dass Deutschlands Hort und Retter in der Nordmark des alten Reiches erstehen würde, das ahnte das böse Gewissen schon damals. In den persönlichen Groll wegen vermeintlicher Zurücksetzung mischte sich widerwärtig politische Feindschaft und Verleumdung, die den Norddeutschen angriff als geborenen und geschworenen Feind; und diese Feindschaft steigerte sich bis zu dem Grade der Ruchlosigkeit, dass wenige Wochen nach Jacobs' Abreise auf einen seiner Freunde ein Mordversuch gemacht wurde. Jacobs war nach Bayern gegangen, um seiner Familie eine gesichertere Existenz, seinen Söhnen Aussicht auf einen größeren Wirkungskreis zu schaffen; vor der Bosheit der Gegner, die ihn, den friedlichen und durch und durch gesetzlichen Mann, der schwärzesten Verschwörungspläne, der Teilnahme an geheimen Verschwörungen zu Kaisermord und Kriegserregung beschuldigten, räumte er 1810, nachdem er sich mannhaft und ehrenhaft gewehrt hatte, das Feld. Durch freudiges Entgegenkommen unseres Herzogs August, der ihm mit einer aus phantastischer Schwärmerei und achtungsvoller Verehrung gemischten Freundschaft zu getan war, bot sich ihm Gelegenheit zur Rückkehr. Ohne Zaudern ergriff er sie. Eine zu gleicher Zeit an ihn ergangene Aufforderung, an der neubegründeten Universität Berlin einen Lehrstuhl einzunehmen, hatte er, ebenso wie später die Berufung nach Göttingen nach dem Tode seines verehrten Lehrers und Freundes Herne, teils aus zaghafter Bescheidenheit abgelehnt, teils weil er erkannt hatte, wie wenig sein Lebensbaum die Verpflanzung in fremden Boden vertrug.
Um manche bittere Erfahrung reicher kehrte Jacobs Ende 1810 nach Gotha zurück, wo ihm die Verwaltung der Friedensteinschen Sammlung, insonderheit die der Bibliothek und des Münzkabinetts, eine gewünschte und ersprießliche Tätigkeit bot, die ihm doch noch volle Muße zu wissenschaftlicher und schriftstellerischer Arbeit ließ. Aber ohne Früchte (wie sie nun einmal das Wirken eines edlen Menschen auch im Sonnenbrande der Trübsal bringt) war auch sein Münchener Aufenthalt für Jacobs nicht geblieben: er hatte Freunde gefunden, die es ihm für die Lebenszeit blieben, er hatte Schüler gefunden, die das von ihm gelockerte Feld weiter bebauten, er hatte die dankbare Anerkennung eines edlen Monarchen sich erworben und in der Seele des Kronprinzen Ludwig das heilige Feuer der Begeisterung für griechische Schönheit anzufachen mitgeholfen, der Bayerns Hauptstadt später ihre großartige Kunstblüte verdankte. - Um an einem Beispiele zu erweisen, wie gefährlich damals Verdächtigungen waren, wie die gegen Jacobs ausgestreuten, erinnere ich nur daran, dass im November 1811 auf keine andere Veranlassung hin in unserer Stadt der treffliche Rudolf Zacharias Becker von Davousts Kürassieren aufgehoben und in die Gefangenschaft nach Magdeburg geschleppt wurde, aus der ihn erst nach 17 Monaten die an Napoleon persönlich gebrachte mutige Bitte seiner tapferen Frau errettete.
Von 1810 bis zu seinem Tode hat Jacobs in seiner Vaterstadt gelebt und sie, außer zu kürzeren oder längeren Reisen, nicht mehr verlassen. Unablässig war er als gelehrter, in der ganzen philologischen Welt bekannter Forscher tätig auf dem Gebiete der griechischen Schriftsteller, deren Hoheit und Weisheit er in feinsinnigen Übersetzungen auch dem größeren Publikum nahe brachte mit der frohen und dank erfüllten Begeisterung des von der Herrlichkeit ihres Dienstes ergriffenen Musenpriesters. Die Schätze der ihm anvertrauten Bibliothek machte er in hoher und freisinnigster Auffassung seines Berufes allen zugänglich, mit steter Bereitwilligkeit jede Anfrage und jeden Wunsch gern, auch den Fernen und Fremden gegenüber, erledigend, und in besonderen Veröffentlichungen hat er sie in weiten Kreisen bekanntgemacht. Denn drei Männer sind es, denen unsere Bibliothek ihren Ruhm nach außen verdankt: der strenggläubige, von lutherisch-theologischen Interessen erfüllte Ernst Salomo Cyprian, der das erste Verzeichnis ihrer Schätze veröffentlichte, der gefeierte Renner des klassischen Altertums Friedrich Jacobs, der in seinen Beiträgen einzelne Teile ihres Besitzstandes trefflich behandelt hat, und Wilhelm Pertsch, dessen Kataloge der Gothaer orientalischen Handschriften zu einer Fundgrube für orientalische Wissenschaft geworden sind.
Aber auch seine Berufsarbeit erschöpfte Friedrich Jacobs' Tätigkeit noch nicht. An allem, was sein engeres und weiteres Vaterland anging, nahm er regen Anteil; aus der Fülle seiner abgeklärten Weisheit erteilte er seinen Zeitgenossen, bald in der Form der Rede, bald in der der Flugschrift, Lehre und Mahnung. Durch geschmackvolle, gemütstiefe Erzählungen, auf die ich zurückkomme, erwarb er sich einen Ehrenplatz unter den deutschen Prosaikern.
Wohl zwang ihn zunehmende Schwerhörigkeit, auf die früher gern gepflegte Geselligkeit zu verzichten, aber seinen häuslichen Verkehr stempelte sein für alles Große und Schöne offener und dabei doch so einfacher und milder Sinn zu einem Muster des edelsten Familien= und Freundschaftslebens, in welchem alle höheren Interessen sorgsamste Pflege fanden. Regen Briefwechsel, von dem ein guter Teil sich in der letzten Zeit wieder in unserer Bibliothek zusammengefunden hat, unterhielt er mit zahlreichen Freunden, zu denen die Besten seiner Wissenschaft und die Edelsten seiner Zeit gehörten. Noch im hohen Alter arbeitete er täglich 15 Stunden, jedem jederzeit mit gleicher Freundlichkeit zugänglich. So hat er unter seinen Mitbürgern gelebt: geliebt, geehrt und bewundert, eine Verkörperung der Tugend, die man mit Recht als die edelste Blüte hellenischer Gesinnung preist, jener maßvollen Heiterkeit und Harmonie der Seele, die, ungestört von den Wechselfällen des Geschicks, erhaben über das Gemeine, im Verkehr mit dem Ewigen die Sicherheit für irdisches Tun und volles Genügen zu finden gewiss ist, als frommer, gerechter und weiser, trotz aller Berühmtheit schlichter und bescheidener Mann. Am 2. März 1840 endete er seine Personalien mit den Worten: „Ich beschließe diese Nachrichten über mein Leben mit tiefgefühltem Dank gegen die göttliche Vorsehung für das viele Gute, das sie mir auf meiner langen Laufbahn beschieden hat; für die wohltätige Wendung, die auch das, was böse schien, durch Gottes weise Fügung genommen, für die Gesundheit, die ich noch jetzt in meinem 76. Jahre genieße; für die Liebe, die mir die Meinigen beweisen; für die Freude, die meine wohlgeratenen Enkel mir machen; für den heiteren Sinn, den ich auch im Alter nicht verloren habe; für das Wohlwollen so vieler naher und ferner Freunde; für die Huld endlich, die mir von den Fürsten, in deren Diensten ich gestanden habe und noch stehe, zuteil geworden ist. Der mir beschiedenen Tage können nicht mehr viele sein. Möge Gott mir verleihen, dass sie ruhig und ohne schmerzlichen Anstoß verlaufen, und wenn ich von hinnen gerufen werde, ich mit einem guten und unbefleckten Auf bei den Zurückbleibenden und mit heiteren Hoffnungen für die Zukunft scheide.“ Wer so über sein Leben schreiben kann, der hat gut gelebt; Friedrich Jacobs konnte es: und ein gnädiges Geschick hat ihm nach seinem reichen Leben auch seine letzten Wünsche erfüllt. Nach einigen Jahren der Schwäche, wie sie das Alter bringt, hat ein sanfter Tod am 29. März 1847 ihn heimgeführt in die Wohnungen des ewigen Friedens.
Friedrich Jacobs hat wie jeder bedeutende Mensch zunächst und am unmittelbarsten mit dem gewirkt, was er war: als Lehrer im Verkehr mit der Jugend durch die vorbildliche Macht seines Wesens und seiner Arbeit; in seiner Familie als Gatte und Vater, in der Gesellschaft durch die feine Gewandtheit geistvoller und anregender Unterhaltungsgabe, in seinem Amt durch freundliches Entgegenkommen, im Verkehr mit den Freunden nah und fern durch die fördernde und selbstlose Mitteilung eines reichen Wissens und eines tiefen Gemütes. Aber so lebhaft solche Einwirkungen sind und so unverlierbar eine einmal wirksam gewordene Kraft im Gesamtbesitze der Menschheit bleibt, - dem Auge entschwinden sie, wenn ihre Träger hinwegscheiden. Für das Nachleben auch über seine nächste Umgebung und über seine Zeitgenossen und ihr Gedächtnis hinaus hat Friedrich Jacobs gesorgt durch das, was er als Frucht seiner Studien, seines Talentes, seines Charakters niedergelegt hat in seinen Schriften. Von seinen gelehrten Arbeiten zu reden ist hier nicht der Ort; nur kürz bemerken will ich, dass die von ihm geschaffenen Grundlagen vielfach noch heute gültig sind, dass alle zeugen von dem umfassenden Wissen, dem eleganten Geschmack, dem gesunden Urteil des Verfassers, als Denkmäler nicht sowohl scharfsichtender Kritik und methodischer Untersuchung als feinen Taktes, edeln Genießens, hingebender, liebevoller, sich freudig in ihren Gegenstand versenkender Forschung. Vor kurzem erst ist noch in einer unserer besten philologischen Zeitschriften ein bis dahin unbekannt gebliebener wert voller Aufsatz von ihm veröffentlicht worden. Seine kleineren Abhandlungen sind in den acht Bänden seiner „Vermischten Schriften“ gesammelt und enthalten kostbare Stücke feinsinniger Gelehrsamkeit und sittlichen Hochsinns; sein Buch über Hellas ist vor wenigen Jahren in neuer Bearbeitung erschienen, seine in immer neuen Auflagen gedruckten Übungsbücher und Sammlungen von Musterstücken aus den antiken Schriftstellern haben Jahrzehnte hindurch die heranwachsenden Generationen eingeführt in die Lektüre der Klassiker. Von all diesen literarischen Veröffentlichungen sehe ich ab, um zunächst kurz Friedrich Jacobs' politische oder besser patriotische und theologische Schriftstellerei zu berühren, die sich auf kürzere Aufsätze, Reden, Flugschriften und einzelne zum Teil sehr wertvolle und bezeichnende Anmerkungen und Anführungen beschränkt. Denn weder praktisch ist Jacobs jemals in das damals kaum erwachte öffentliche Leben eingetreten, noch hat er solchen Fragen je eine ausschließliche Tätigkeit gewidmet, und es ist wahr, von der stahlharten Energie Fichtescher Reden und der reformatorischen Kraft Schleiermacherscher Abhandlungen sind seine Schriften weit entfernt, aber mit ihrem hohen idealen Schwung und ihrer tapferen Redlichkeit und Freiheitsliebe haben auch sie ihre Wirkung getan.
Es ist natürlich, dass alles politische Interesse seiner früheren Jahre in den großen Ereignissen, die mit Napoleons gewaltiger Persönlichkeit verknüpft sind, seinen Mittelpunkt fand, das der späteren Zeit aber sich auf die Neugestaltung Deutschlands bezog, wie sie sich nach den Befreiungskriegen entwickelte.
Wenige Tage nach Jacobs' erster Verheiratung 1792 zogen die ersten preußischen Truppen durch Gotha an den Rhein, 1806 hat Jacobs den freveln Stolz und brutalen Übermut preußischer Offiziere kennen gelernt, dem so bald die Strafe auf dem Fuße gefolgt ist; nach der Schlacht von Jena hat er einigen preußischen Gefangenen zur Flucht verholfen. Er hat 1812 die glänzende Armee gesehen, die, die kühnsten Pläne Napoleons zu erfüllen, nach Russland marschierte, und die jammervollen Trümmer, die dem furchtbaren Strafgericht des russischen Feldzuges entronnen waren. 1813 zeigte ihm den jämmerlichen Rückzug des geschlagenen Franzosenheeres, 1814 sandte er selbst zwei seiner Söhne mit hinaus in den Kampf, um Deutschlands verpfändete Ehre mit einzulösen, während der dritte, trotz abmahnender Bitte, entschlossen war, in das Heer einzutreten, sobald es Not sei. So war 22 Jahre lang sein persönliches Leben und sein persönliches Empfinden, in Kampf und Sieg, mit verflochten in das Wohl und Wehe der Gesamtheit, und wie er in allen Lagen, die sein Inneres ergriffen, sich getrieben fühlte, zu sagen, was er empfand, so hat er auch damals in die Bewegung der Geister in bewegter Rede mit eingegriffen. Auch in dieser Richtung aber zeigte sich die charaktervolle Ruhe und Selbständigkeit seines Wesens; er wusste, dass der Herzog August in seiner Bewunderung für den französischen Herrscher seine Meinung und seine Gesinnung nicht teilte; aber das konnte ihn nicht abhalten, offen für sie einzutreten und, da ein Gespräch mit seinem Fürsten über derartige Fragen im besten Falle erfolglos verlaufen wäre, ihm seine patriotischen Schriften auf den Schreibtisch zur persönlichen Kenntnisnahme niederzulegen.
1805 übersetzte er, wie zu gleicher Zeit der Begründer der neuen Geschichtsforschung, Barthold Georg Niebuhr, die Reden, mit denen vor mehr als 2000 Jahren der große athenische Redner Demosthenes seine Landsleute zum Kampf gegen den ihre Freiheit bedrohenden fremden König anzufeuern gesucht hatte; nach Deutschlands ruhmvoller Erhebung schrieb er seine warmherzige „Ansprache eines Thüringers an seine Landsleute“ und die begeisternde Mahnung an Germaniens Jugend: „Über Deutschlands Gefahren und Hoffnungen“, die er mit den Worten schloss: „So hilft Gott denen, die sich selbst helfen wollen.“ Nachdem dann der erste Pariser Friede am 50. Mai 1814 geschlossen war, da verfasste er in flammenden Worten und voll hoher Gedanken seine mächtige Rede über „Deutschlands Ehre“, die er dem Andenken der in dem Krieg gegen Frankreich gefallenen Deutschen widmete. In feierlicher Sprache preist er die, die mit ihrem Herzblut den heiligen Heimatboden wieder befreit, aber noch eindringlicher erinnert er in mannhaftem Freimut Fürsten und Volk an die Pflichten, die dieser Opfertod den Überlebenden auferlegt habe. Er mahnt sie abzutun alles fremdländische Wesen, wieder deutsch zu sein in Herzen und Worten und Tun und sich in gerechtem Stolz wieder ihrer nationalen Güter bewusst zu werden. Er fordert ein Volksheer, wie es die preußische Verfassung schon angebahnt hatte, er fordert eine Verfassung, eine Volksvertretung, konfessionelle Gleichberechtigung, Ausgleichung der Stände und ihrer Rechte und in fast prophetischem Geiste eine Zusammenfassung der einzelnen Volksglieder unter Schonung des berechtigten Sonderbestandes. Im Sinne einer maßvollen Freiheit, für die er auch in dem bemerkenswerten Aufsatz: „Über die Forderungen der Zeit“ und in späteren Äußerungen eintrat, soll, so ruft er aus, jeder fest glauben, „dass die goldene Zeit nur dann zu den Menschen herabsteigt, wenn Gerechtigkeit, Güte und Weisheit den Thron schmücken, und ein tapferes, gesittetes und frommes Volk die Stufen des Thrones umringt". „Möge in diesen Tagen der Feste“, so schließt er, „kein Deutscher sein, der nicht an dem Altar des Friedens und in seinem eigenen Herzen den heiligen Schwur brächte, treu zu sein den Sitten des Vaterlandes, die Freiheit zu ehren über alles, der Obrigkeit zu gehorchen, Gerechtigkeit zu handhaben und die errungenen, unschätzbaren Güter durch Mäßigung und Mut zu bewahren.“ - Es ist natürlich, dass uns diese politischen Auseinandersetzungen der Fülle praktischer Aufgaben gegenüber, die das jetzige öffentliche Leben an den Politiker stellt, etwas platonisch und allgemein erscheinen, aber wir wollen nicht vergessen, dass nur aus solchen, von hoher idealer Gesinnung getragenen Anschauungen die Kräfte geschaffen werden konnten, die unser modernes Verfassungsleben und die Erfüllung unserer patriotischen und nationalen Hoffnungen erkämpft haben.
Noch lebhafter aber beschäftigten den vielseitigen Mann theologische Fragen, zu denen er von der Universitätszeit her durch seine Studien und später durch seinen Verkehr mit Männern wie Koppe, Löffler, Bretschneider, Eduard Jacobi in dauernder persönlicher Beziehung geblieben ist. Es war Jacobs gelungen, in seinem milden Sinn die griechische Weltanschauung heiterer Menschlichkeit mit den Überwindung der sinnlichen Natur fordernden Lehren des Christentums zu widerspruchsloser Harmonie zu verbinden; aus ihr aber entsprang für ihn jene tiefe Innerlichkeit des Glaubens die nach der äußeren Form nicht viel fragt und unter Abweisung jeden Herrschgelüstes streitsüchtiger Theologen jene edle Duldung, die jede fromme Überzeugung gelten lassen will. Ganz ein Kind seiner Zeit, vertritt Jacobs die religiöse Anschauung, die ihren monumentalen Ausdruck in der vom Herzog August veranlassten Errichtung des Kandelabers bei Altenbergen an der - freilich mit Unrecht angenommenen - Stelle der ersten Bonifaziuskirche gefunden hat, dessen Weihe am 1. September 1811 der Erfurter Benediktinerabt, der Prediger der Schmalkalder Reformierten und der evangelische Gothaer Generalsuperintendent, der würdige Löffler, vollzogen. Auch Jacobs hatte dem erhebenden Feste beigewohnt. Nicht ein gelehrter Theologe wollte Jacobs sein - obwohl sich auch auf diesem Gebiete an Wissen nur wenige mit ihm messen konnten -, sondern ein frommer, demütiger und glaubensstarker Christ. Mit Sokrates, dem Weisesten der Griechen, glaubte er an eine göttliche Stimme, ein Dämonium, das ihn mit unbestechlichem Urteil über Recht und Unrecht bescheide, aber ebenso war er überzeugt von der Mittlerschaft, die Jesus Christus zwischen dem Menschen und Gott begründet habe. Er war überzeugt, dass die Wohlfahrt des einzelnen wie ganzer Staaten auf der Sittlichkeit ruht, diese selbst auf der Religion, und dass nur diese Wurzel das Gute festzuhalten vermöge und dass es keine Tugend und keine Unschuld gäbe, welche, dieses festesten Grundes beraubt, ihrer eigenen Dauer gewiss wäre. „Gute Christen“, sagt er einmal, „werdet ihr sein, wenn ihr christliche Gesinnungen hegt und nach Christi Beispiel und Lehre wandelt“, und an einer anderen Stelle: „Nach meinen Erfahrungen halte ich in Beziehung auf Gott nur zwei Wünsche für wahrhaft christlich: der erste, dass er uns vor Versuchung bewahre, der andere, dass er im Falle der Versuchung unserer Schwachheit zu Hilfe komme.“ Am ausführlichsten hat Jacobs seine christlichen Anschauungen dargelegt in einer Schrift, die auch sonst unser Interesse auf sich zieht, da sie als Empfehlung des Denkmals verfasst ist, das dem hochverdienten, im Februar 1816 bei einer Amtshandlung plötzlich verstorbenen Löffler im Klosterhof der Augustinerkirche gewidmet worden ist; der Reinertrag des Schriftchens war der Freischule, der Stiftung Löfflers, bestimmt. Es trägt den Titel: „Zufällige Gedanken über den Religionszustand der Zeit.“ Aus tiefstem Herzen redend, gibt in ihm Jacobs ein lebendiges Beispiel seines eigenen Ausspruchs: „Wer mit dem Feuer der Überzeugung getauft ist, der wird auch mit feuriger Zunge sprechen.“ Nicht auf die Form des Glaubens, sondern auf seine Betätigung kommt es ihm an. Denn Religion ist ihm das tiefe Bedürfnis der Erkenntnis Gottes und der Einigkeit mit seinem heiligen Willen, ein Bedürfnis, das aus den reinsten Quellen der Sittlichkeit entspringt und hinwiederum in seiner Entwicklung die Sitten veredelt und heiligt; zugleich die Wurzel der Tugend und ihre höchste Blüte. „Was wir also den Menschen überhaupt und den Hirten der Völker insbesondere wünschen, ist die Gottesfurcht, die durch sittliche Reinheit, Heiligung des Herzens, Gerechtigkeit und gute Taten nach Gott und seinem Reiche trachtet. Nur diese Gottesfurcht bringt Heil.“
Ungleich ergiebiger und erfolgreicher jedoch als auf diesen Gebieten, zu denen ihn doch mehr sein Pflichtgefühl als innere Neigung führte, ist Jacobs aufgetreten als Volksschriftsteller und Erzähler. Nicht aus einem genialen überquellenden Schaffenstrieb, sondern aus seiner sittlichen Persönlichkeit und dem Drange zu lehren und sich mitzuteilen ist diese Tätigkeit erwachsen, unterstützt durch eine außerordentliche Befähigung für die Form und gefällige Darstellung, durch eine lebhafte, aus ausgedehnter Lektüre schöpfende Phantasie, zuquellenden Gedankenreichtum und nie versagende Fülle des Ausdrucks. In der Wahl seiner Stoffe wurde er zunächst bestimmt durch ein an vielen Orten unseres Vaterlandes damals hervortretendes Streben, welches auch in unserer unmittelbaren Nähe einen bekannten Vertreter gefunden hat. Wie neben den glänzenden Gestirnen erster Größe, die am Himmel ihr Licht spenden, eine ganze Reihe in stillerem Licht leuchten, denen besonders zur Freude, die im abendlichen Dunkel sich nach einem trauten Genossen sehnen, so erstanden um die Wende des achtzehnten Jahrhunderts neben den bahnbrechenden und führenden Geistern eine Reihe Schriftsteller, die an die Kleinen und Kleinsten an Bildung, Geist und Jahren sich wendeten, im Sinne der sittlich-religiösen Erziehung und der Volksbildung im Geiste der Aufklärung und Humanität. In volkstümlichster Weise und anschaulicher Erzählung wollten diese Schriftsteller berichten, lehren und anregen; nicht von den höchsten Dingen wollten sie die Gebildeten unterhalten, sondern sie suchten ihre Zuhörerschaft in den ihnen selbst verwandtesten Kreisen, in ihren Anschauungen, in ihren Interessen und Verhältnissen auf. Sie vertraten damit eine Richtung unserer Literatur, die auch in der die Zeit zum großen Teil beherrschenden philanthropischen, d. h. menschenfreundlichen Ideen und in einer weitverbreiteten Erziehungsmethode Unterstützung und Widerklang fand, wie sie besonders nach Rousseaus Vorgang von Basedow, Campe und Salzmann auf Naturgemäßheit der Führung und einer edeln, von allen Unterschieden befreienden Menschenliebe begründet werden sollte. Wie klar Jacobs diesen Zusammenhang seiner Schriften mit den Grundsätzen jener erkannte und betont wissen wollte, geht daraus hervor, dass er sich selbst einen philanthropischen Schriftsteller (Personalien. S. 154) genannt hat. In dem gleichen Sinne hat Hebel im alemannischen Süden, Matthias Claudius im sächsischen Norden gewirkt, in diesem Sinne hat Christian Gott hilf Salzmann vom nahen Schnepfenthal aus seinen „Boten aus Thüringen" und manches treffliche Büchlein ausgehen lassen.
Ich kann aber Jacobs' Jugend- und Volksschriften nicht erwähnen, ohne wenigstens mit ein paar Worten der beiden Männer zu gedenken, die mit ihm, der eine als langjähriger Freund, der andere als jüngerer Genosse, in derselben Richtung wie er in unserer Heimat gewirkt haben; es sind Rudolf Zacharias Becker, der wackere Herausgeber des „Allgemeinen Anzeigers“ und der „Nationalzeitung der Deutschen“ sowie des einst allbekannten „Not- und Hilfsbüchleins", und Wilhelm Hev, dessen Fabeln und Lieder uns am vertrautesten geblieben sind. Wer ist nicht mit den Verschen: "Was ist das für ein Bettelmann?" oder: "Lerche, wie früh schon fliegest du jauchzend der Morgensonne zu" aufgewachsen? Wer kennt nicht das schöne: „O Christentum, du schönes Liebesband!“? Wahrlich, auch diese beiden Männer verdienten es ihrer Persönlichkeit nach lebendiger in unserer Erinnerung zu stehen, als es der Fall ist. Jacobs, Becker und Her sind sehr verschieden in Wesen, Haltung und Beruf, aber im innersten Grunde schließen sich doch der politische Volksmann, der sinnige Liederdichter und der freundliche Erzähler zusammen zu einem Ganzen, dessen verschiedene Seiten eben verschiedene Äußerungen derselben Grundanschauung offenbaren.
Im Jahre 1802 schenkte Jacobs seinem ältesten Sohn, dem leider früh verstorbenen Friedrich Josias, als Geburtstagsgeschenk ein für ihn verfasstes Büchlein: „Alwin und Theodor, ein Lesebuch für Kinder“, über dessen erziehliche Absicht er sich in der Vorrede in den Worten ausspricht: „Das, was Du in dem Büchlein findest, musst Du Deinem Gedächtnis einprägen und oft wiederholen und danach tun; dies wird dazu beitragen, Dich zu einem guten Menschen zu machen. ... Ich werde nicht beständig bei Dir sein, aber meine Lehren und das Andenken an mich kann Dich überall begleiten, wenn Du es in Deinem Herzen bewahrst. Dies kann Dir noch nützlich und ermunternd sein, wenn ich längst gestorben bin. Der fleißige Landmann pflanzt Bäume, von denen seine Enkel und Urenkel die Früchte brechen; und ebenso legt ein Vater den Samen des Guten in die Herzen seiner Kinder, und dieser geht auf und erfreut die Welt, wenn er längst von ihnen geschieden ist.“ Das Büchlein umfasst eine Reihe sinn- und gemütvoller kleiner Erzählungen, bestimmt, das sittliche und religiöse Leben des Kindes zu klären und zu festigen in Liebe zum Guten, zu Gott, zu den Nebenmenschen. Einst viel verbreitet, ist es jetzt von einer Jugendliteratur verdrängt, die wahrlich den Vergleich mit ihm so wenig aushalten kann, wie mit demjenigen Buche, welches Jacobs unter dem Titel: „Die Feyerabende in Mainau“ für ein reiferes Alter erscheinen ließ, und denen später die „Ährenlese" und „Kleine Erzählungen des alten Pfarrers von Mainau“ folgten. Die erste Sammlung ist nach dem Muster des Campeschen „Robinson“ in den Rahmen von Gesprächen eingeschlossen, die der würdige Pfarrherr im Kreise der Familie und Freunde zur Vertiefung der Aufgaben und der Handlungen des gewöhnlichen Lebens führt. So wertvoll diese Bücher selbst auch sind, so widerspricht die fortwährende Unterbrechung, welche wieder ihren erzieherischen Grund hatte, doch so sehr dem Charakter der Erzählung, dass es gewiss ein glücklicher Gedanke des letzten Herausgebers war, diese Einsätze ganz wegzulassen: in dieser Form aber ist das Buch auch jetzt noch eine der gediegensten Volks- und Jugendschriften, die nicht warm genug empfohlen werden kann und von der auf das lebhafteste zu bedauern ist, dass sie aus den Händen unserer Jugend und aus unseren Häusern immer mehr schwindet. Diese Erzählungen treffen am besten den Volkston, zuweilen mit köstlichem, harmlosem Humor; frei von jeder ungesunden Gefühlsweichheit regen sie alles tüchtige Streben an zu frommer Gesinnung und dem Glauben an göttliche Gerechtigkeit; in manchen klingt etwas wieder von der unschuldsvollen Tiefe des Volksmärchens, anderes erinnert in krauser Phantastik an „Tausendundeine Nacht“. Die Mainauer Erzählungen haben Jacobs' Namen lange Zeit bekannt gemacht in weiten Schichten, die nichts von dem Ruhme des großen Gelehrten wussten, und sie verdienen es weiterzuleben, solange edle, einfache, echt menschliche Töne noch auf jugendliche Herzen wirken können.
Wesentlich fremder sind unserem Empfinden die Bücher geworden, die zum Teil am Krankenbett seiner ersten Frau entstanden, später unter dem Titel: „Die Schule der Frauen oder Schriften zur Belehrung und Bildung des weiblichen Geschlechts“ herausgegeben sind, Schriften, die, wie Jacobs selbst sagt, bestimmt waren, „durch Religion auf Reinigung und Veredelung des weiblichen Gemütes zu wirken“ In späterem Alter gab er dann eine Reihe von Erzählungen und Novellen heraus, die, in sieben Bänden gesammelt, „die Heiligkeit der Sitten und das Sittliche der Religion in mannigfache Form kleiden“ sollten. In allen herrscht, einerlei ob sie uns an das Ufer des Tajo oder in das protestantische Pfarrhaus Mitteldeutschlands, ob sie uns in das Schloss des französischen Legitimisten oder an die Seen Italiens führen, die gleiche Anschaulichkeit der Situation, die gleiche milde Stimmung und edle Toleranz, die auch die Gegensätze politischer und religiöser Art versöhnt, die tiefe Gottesfurcht, der unerschütterliche Glaube an eine ewige Gerechtigkeit, die auch in den Rätseln des Lebens, uns bisweilen unverständlich, doch waltet. Wohl ist in diesen Erzählungen manches allzu tendenziös zugerichtet, oft ersetzt ein gütiger Zufall die innere Notwendigkeit der Entwicklung, und es liegt mir fern, diesen Erzählungen einen hohen literarischen Wert zuzusprechen. Es gibt gewiss tiefere, dichterisch vollendetere, der menschlichen Vielseitigkeit und menschlichen Leidenschaft wahrhaftiger entsprechende Erzählungen; aber den Ruhm werden sie immer behaupten können, dass sie einem reinen Herzen entstammt, reine und edle Menschen zu schildern gesucht und ihrer Zeit verständlich und liebzumachen verstanden haben.
„Jeder Schriftsteller soll ein Priester der Wahrheit, seine Brust ein Tempel dieser Göttin sein“, so lautete Jacobs' Wahlspruch, und diesem Wahlspruch ist er treugeblieben in seinen Erzählungen, in seinen Streitschriften, in seinen wissenschaftlichen Werken, und in diesem Streben finden all die verschiedenen Betätigungen seiner reichen Gestaltungskraft ihren sittlichen Boden und ihren einheitlichen Ausgang.
Ich habe versucht, Friedrich Jacobs' reiche Persönlichkeit und Wirksamkeit zu schildern; alles, was ich gesagt, fasse ich in den Worten eines Mannes zusammen, der ihm im Leben nahe genug gestanden hatte, um auch sein Inneres gerecht zu beurteilen. Als Jacobs gestorben, hielt der Oberhofprediger Eduard Jacobi ihm die Leichenrede, eine Predigt, wie wohl kaum je eine schönere und wahrere am Grabe eines bedeutenden Mannes gehalten ist; in ihr sagt er: „Groß an Verstand, reich an Wissen, größer und reicher am Herzen, ein Meister der Wissenschaft, ein feiner Kenner des Schönen, ein edler Charakter, im Umgange mit Höheren voll Würde, gegen den Geringsten voll freundlicher Milde, ein liebender Gatte, ein zärtlicher Vater, ein treuer Freund, ein Muster der Nachahmung als Diener des Staates, als Bürger des Vaterlandes, von makelloser Treue, von rastlosem Fleiß, - ein ganzer Mensch. So war Friedrich Jacobs. So hat er gezeigt, zu welchem Ziele einen edeln Geist das rechte Studium des Altertums führt, wenn es angehaucht wird vom Wesen der Anmut und geadelt vom göttlichen Geiste des Christentums.“
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