Orangerie Gotha
von Andreas M. Cramer
Die Orangerie Gotha gilt als eine der größten und schönsten barocken Orangerieanlagen im deutschsprachigen Raum. Ihre Ursprünge gehen bis auf das Jahr 1711 zurück, die heutige Anlage entstand zwischen 1747 und 1774 nach Plänen des Baumeisters Gottfried Heinrich Krohne für Herzog Friedrich III. von Sachsen-Gotha-Altenburg.
Inhaltsverzeichnis
Chronik der Orangerie Gotha
1708 bis 1711 Im Auftrag Herzog Friedrichs II. von Sachsen-Gotha-Altenburg (1676–1732) und seiner Gemahlin Magdalena Augusta (1679–1740) entsteht unterhalb der östlichen Festungsanlagen des Schlosses Friedenstein an der Allee vor dem Siebleber Tor (der heutigen Friedrichstraße) das Lustschloss Friedrichsthal. Der gothaische Oberbaudirektor Wolf Christoph Zorn von Plobsheim entwirft die dreiflügelige Anlage nach dem Vorbild des Schlosses von Versailles. Gegenüber dem repräsentativen Barockbau errichtet von Plobsheim das sogenannte Ordonnanzhaus, in dem die herzogliche Leibwache zu Pferde untergebracht wird. Hinter dem Ordonnanzhaus wird in Richtung des Friedenstein eine terrassierte Gartenanlage angelegt, an deren Südseite ein Gewächshaus entsteht, in dem die umfangreiche herzogliche Sammlung von Orangeriepflanzen untergebracht wird.
nach 1732 Im Auftrag Herzog Friedrichs III. von Sachsen-Gotha-Altenburg (1699–1772) und seiner Gemahlin Luise Dorothée (1710–1767) wird der Ordonnanzgarten durch den gothaischen Oberlandbaumeister Johann Erhard Straßburger zu einer umfangreicheren Orangerie ausgebaut. Die Gartenanlage erhält unter anderem ein Lusthaus und eine Fontäne.
1734 Als Abschluss des Ordonnanzgartens zur Allee vor dem Siebleber Tor (der heutigen Friedrichstraße) wird ein Zaun mit einem dreiteiligen schmiedeeisernen Portal errichtet. Das prächtige zweiflügelige Mitteltor, das vom Monogramm Friedrichs III. gekrönt ist, wird vom Gothaer Hofschlossermeister Gräfenstein geschaffen, die beiden Seitentore fertigt Hofschlossermeister Silber. Den Auftrag für den Bau der Mauerbrüstung und der Steinpfeiler erhält Hofmaurermeister Georg David Broßmann.
1735 Johann Erhard Straßburger legt die ersten Entwürfe für ein neues Treibhaus vor, die vom Herzog als nicht ausreichend abgelehnt und auch wegen der dafür veranschlagten Kosten nicht ausgeführt werden. Das alte Orangeriegebäude wird lediglich repariert.
1737/38 Johann Erhard Straßburger errichtet im Ordonnanzgarten zusätzlich zum bereits bestehenden älteren Gewächshaus (das immer wieder ausgebessert wird) ein neues gläsernes Treibhaus. Die herzogliche Sammlung exotischer Pflanzen wird durch Ankäufe und eigene Zucht stetig vergrößert.
1745 Der herzogliche Obergärtner Streitz beschwert sich darüber, dass die Lorbeerbäume aufgrund ihrer Höhe nicht mehr in das alte Gewächshaus passen, das seit 1740 zudem erhebliche Schäden aufweist. Johann Erhard Straßburger entwirft daraufhin Pläne für ein neues, größeres Gewächshaus, die jedoch nicht ausgeführt werden.
1746 Johann Erhard Straßburger entwirft erneut Pläne für ein modernes Orangenhaus. Obwohl ebenfalls nicht verwirklicht, ähnelt das mit zwei Seitenpavillons und einem repräsentativen Mitteleingang versehene Gebäude dem später realisierten „Lorbeerhaus“.
1747 Der sachsen-weimarische Landesoberbaudirektor Gottfried Heinrich Krohne erhält Gelegenheit, eigene Entwürfe vorzulegen, denen schließlich der Vorzug vor den straßburgerschen gegeben wird. Krohne erhält von Herzog Friedrich III. den Auftrag für die komplette Umgestaltung des Ordonnanzgartens zu einem „Orangengarten“ nach französischem Vorbild. Auf ausdrücklichen Wunsch des Herzogs wird die gesamte Anlage durch eine Schwenkung der bisherigen Gartenachse um 20 Grad „in eine bessere Symmetrie mit dem Friedrichsthal“ gebracht. Das Ordonnanzhaus wird abgebrochen (die alten Gewächshäuser bleiben jedoch noch stehen) und das Gelände eingeebnet. Auf der Nord- und Südseite wird das Baugelände durch den Zukauf privater Gärten erweitert und mit dem Bau des auch „Glashaus“ genannten südlichen Treibhauses begonnen. Johann Erhard Straßburger ist lediglich an den bauvorbereitenden Arbeiten beteiligt.
1748 Das südliche Treibhaus wird als erstes der vier vorgesehenen Orangeriegebäude fertiggestellt. Im selben Jahr wird mit dem Bau des benachbarten „Laurier-Hauses“ („Lorbeerhauses“) begonnen, das als Kalthaus (d.h. für die Überwinterung der kälteempfindlichen Orangeriepflanzen) konzipiert ist.
1750 Der Rohbau des „Lorbeerhauses“ wird fertiggestellt. Nach den Entwürfen Gottfried Heinrich Krohnes beginnen die Stukkateure Pietro Augustini und H. Güldner mit den Arbeiten zur plastischen Ausschmückung des Gebäudes. Sowohl die Decke im Mittelpavillon als auch die Decken im Ost- und Westpavillon erhalten Rosetten und Rocaillen im Stil des Rokoko, die Decken der beiden „Appartements“ genannten Zwischenbauten werden mit verkröpften Quadraturen und weiterem Dekor stukkiert.
1751 Gottfried Heinrich Krohne fällt durch Intrigen beim Herzog in Ungnade, wird im August entlassen und muss den Gothaer Hof verlassen, ohne seine Arbeit im Orangengarten (der Orangerie) beenden zu können. Die Oberbauleitung der Orangerie bekommt Baudirektor Friedrich Joachim Stengel übertragen, der den weiteren Ausbau des „Lorbeerhauses“ verantwortet. Der Gothaer Hofbildhauer Ludewig Gottfried Graß beginnt mit der Arbeit an der Figurengruppe, welche die Grotte im Westpavillon des „Lorbeerhauses“ schmücken soll: Auf einem Berg aus Travertin sitzen eine Neptun- und eine Thetysfigur sowie zwei Putti, welche von zwei Wasser speienden Delphinen flankiert werden. Gespeist wird die Grotte mit dem Wasser des oberhalb der Orangerie entlangfließenden Leinakanals, das über das südlichen Treibhaus ins Innere des „Lorbeerhauses“ geleitet wird. Die Stukkaturen im „Lorbeerhaus“ werden fertiggestellt. Der Mittelpavillon wird mit schwarzem und weißem „Schwarzburger Alabaster“ in Rokokoformen ausgelegt (Ost- und Westpavillon sowie die Appartements erhalten Fußbodenplatten aus Seeberger Sandstein) und die Wände mit farbigem Stuckmarmor verziert.
1752 Friedrich Joachim Stengel wird zu Beginn des Jahres Krohnes einstiger Schüler Johann David Weidner als Bauinspektor beigeordnet. Als Stengel im April auf eigenen Wunsch Gotha verlässt, erhält Weidner die Oberaufsicht über das gothaische Bauwesen und damit auch die Leitung des weiteren Ausbaus der Orangerie. Die mit reichem plastischem Dekor versehene Fassade und das Innere des „Lorbeerhauses“ werden im Laufe des Jahres fertiggestellt.
1754 Johann David Weidner, der in diesem Jahr zum gothaischen Landbaumeister befördert wird, stellt im südlichen Treibhaus den Defekt der Wasserleitung und wohl daraus resultierende erhebliche Fäulnisschäden fest, die behoben werden. In diesem Jahr verstirbt der Baumeister Johann Erhard Straßburger.
1756 Herzog Friedrich III. beauftragt Johann David Weidner, „nach dem Krohneschen Riß und Anschlag“ das zweite Orangenhaus (das nördliche Kalthaus) zu beginnen. Der Ausbruch des Siebenjährigen Krieges verhindert jedoch die Ausführung der Arbeiten. In diesem Jahr stirbt der Architekt der Orangerie, Gottfried Heinrich Krohne.
1758 Johann David Weidner führt mit der Errichtung des Nördlichen Treibhauses den Ausbau der Orangerie fort.
1759 Nach Beschwerden des Obergärtners Streitz über den schlechten Standort der vier Öfen im „Lorbeerhaus“ (die unsinnigerweise auf der Südseite vor Blindfenstern stehen) werden in den beiden Appartements zwei Öfen auf die Nordseite versetzt und zwei der vier Blindfenster geöffnet, um fortan einen besseren Lichteinfall zugunsten der Pflanzen zu ermöglichen.
1766
Unter Johann David Weidner wird – ebenfalls nach den Plänen seines Vorgängers Gottfried Heinrich Krohne – mit dem Bau des letzten Gebäudes der Gesamtanlage, des „Orangenhauses“, auf der Nordseite des Gartens begonnen.
1767 In der Nacht vom 6. zum 7. Januar brennt das Gärtnerhaus in der Orangerie nieder; das benachbarte alte Gewächshaus des einstigen Ordonnanzgartens bleibt jedoch unbeschädigt. Im selben Jahr verstirbt Herzogin Luise Dorothée von Sachsen-Gotha-Altenburg.
1769 Nachdem das „Orangenhaus“ weitgehend fertiggestellt ist, wird mit dem alten Gewächshaus das letzte verbliebene Gebäude des ehemaligen Ordonnanzgartens abgebrochen.
1770 Hinter dem „Lorbeerhaus“ lässt Johann David Weidner Ananaskästen (überglaste Hochbeete) erstellen. Bereits seit 1732 werden in den herzoglichen Gärten Ananas gezogen, 1795/96 wird die Ananaszucht komplett in die Orangerie verlegt.
1772 Herzog Friedrich III. stirbt, ohne die Fertigstellung des von ihm 25 Jahre zuvor in Auftrag gegebenen Orangeriegartens zu erleben.
1773 Die letzten Arbeiten am „Orangenhaus“ werden abgeschlossen. Herzog Ernst II. (1745–1804) lässt nach Plänen Johann David Weidners nördlich des „Orangenhauses“ das Hofgärtnerhaus mit der Wohnung für den herzoglichen Oberhofgärtner errichten (Friedrichstraße 4). Auf der Südseite des Mittelpavillons des „Lorbeerhauses“ werden über den bestehenden Fenstern drei zusätzliche ovale Mezzaninfenster eingefügt, um den Pflanzen im Winter mehr Licht zu geben.
1774 Die Arbeiten am Orangeriegarten werden beendet. Da sich der Gartengeschmack seit etwa 1770 in Richtung des natürlich anmutenden Landschaftsgartens nach englischem Vorbild verändert hat, werden Gottfried Heinrich Krohnes ursprüngliche Entwürfe der Gartenanlage nicht mehr umgesetzt, sondern lediglich einfache Rasenparterres angelegt, um die herum die Kübelpflanzen aufgestellt werden. Im „Orangenhaus“ überwintern vor allem Zitronen, Pampelmusen, Orangen und Pomeranzen, im „Lorbeerhaus“ u.a. Zypressen, Lorbeer, Oleander, Feigen und Myrten. Das repräsentative Eingangsportal des Gartens und der Zaun werden um ca. 80 Zentimeter erhöht, da die Mauerbrüstung, auf der sie bisher stehen, entfernt wird. Auf dem Haupttor wird das bekrönende Monogramm des verstorbenen Friedrich III. durch das sächsische Rautenkranzwappen mit Herzogskrone ersetzt. Die ursprünglichen steinernen Granatäpfel auf den Pfeilern des Zaunes verschwinden zugunsten von Steinkugeln.
1775 Die reichen plastischen Fassadenverzierungen am „Lorbeer-“ und „Orangenhaus“ (hier waren sie erst zwei Jahre zuvor fertiggestellt worden!) werden auf Anordnung Herzog Ernsts II. abgestemmt und übergestockt. Die beiden Kalthäuser erhalten damit ihr heutiges, wesentlich schlichteres Aussehen.
1777 Die herzogliche Kammer beklagt in einem Schreiben an Herzog Ernst II., „… wie das so genannte Laurier=Hauß worinnen die Lorbeer-Bäume aufbehalten zu werden pflegen, sehr feuchte, kalt und dumpfigt ist, so daß die Bäume alle Winter darinn Schaden nehmen …“ Um mehr Licht in das Gebäude zu lassen, wird angeregt, auch die verbliebenen zwei Ofennischen vor den Blindfenstern der Südseite des „Lorbeerhauses“ abzubrechen, und gewarnt: „Sollten all diese Arbeiten nicht erfolgen, so könnte sein, daß der beabsichtigte Endzweck der ersten Anlage dieses Gebäudes zu Féten im Sommer hindurch ganz und gar vereitelt wird …“. Daraufhin werden die beiden letzten Blindfenster geöffnet. Im Zuge dieser Arbeiten wird auch die Grotte mit Wasserkaskade im Westpavillon abgebrochen (Reste ihres Fundaments werden bei den Sanierungsarbeiten im Jahre 2007 gefunden). Über den Eingängen der Mittelpavillons von „Lorbeer-“ und „Orangenhaus“ werden die Balustraden angebracht.
1780/81 Direkt oberhalb des südlichen Treibhauses entsteht im „Garten der Herzogin“ für Herzogin Charlotte Amalie von Sachsen-Gotha-Altenburg (1751–1827) ein Gartenpavillon. Von Baumeister Carl Christoph Besser (1726–1800) im Stil der Neogotik errichtet, wird dieser als Kloster, Eremitage oder Englische Kapelle bezeichnet. Der ursprüngliche Bau wird in den Jahren 1783, 1799/1800 und 1812 zu seiner heutigen Gestalt erweitert und prägt unter der Bezeichnung „Teeschlösschen“ das Bild der Südwestseite der Orangerie.
1781 Die Sammlung der Gothaer Orangerie beläuft sich laut einem Inventar des Obergärtners Johann Conrad Sahl auf insgesamt 2.953 Orangeriepflanzen, wovon 869 „Stämme oder Gewächsbäume“ in eckigen Kästen und 2.014 in „Pots oder Gartentöpfen“ gepflanzt sind. Im „Orangenhaus“ stehen 608 Zitrusbäume verschiedener Sorten, im „Lorbeerhaus“ die anspruchsloseren mediterranen Kalthauspflanzen: 290 Lorbeerbäume sowie Granatbäume, Myrten, Oliven, Oleander, Feigen usw.
1784 Der Orangeriegarten steht mit seiner umfangreichen Sammlung exotischer Pflanzen im Ruf, einer der hervorragendsten seiner Art in Deutschland zu sein. In diesem Jahr verstirbt der Baumeister Johann David Weidner.
1786 Herzog Ernst II. von Sachsen-Gotha-Altenburg verfügt, dass der herzogliche Park und damit der Orangeriegarten donnerstags und sonntags (seine Abwesenheit von Gotha vorausgesetzt) „für die Noblesse und für die Honoratiores zum freien Spaziergange geöffnet“ werden soll.
1789 Der Oberhofgärtner Heinrich Christian Wehmeyer (1729–1813; an ihn erinnert bis heute das Wehmeyer-Denkmal südlich des Großen Parkteichs) bekommt die Aufsicht über die Orangerie (Gesamtbestand: 1.800 Pflanzen) und den Garten des Schlosses Friedrichsthal übertragen.
1814 Johann Rudolph Eyserbeck (1765–1849; Sohn des berühmten Wörlitzer und Dessauer Gartengestalters Johann Friedrich Eyserbeck) wird Obergärtner in Gotha und erhält die Oberaufsicht über die gesamten herzoglichen Gärten einschließlich der Orangerie.
1817 Anlässlich der Hochzeit Herzog Ernsts III. von Sachsen-Coburg-Saalfeld (ab 1826 Ernst I. von Sachsen-Coburg und Gotha) mit Prinzessin Luise von Sachsen-Gotha-Altenburg findet am 3. August in der Orangerie das „Haupt-Freudenfest für die Stadt“ statt, für das über 2.000 Billetts an die Gothaer verteilt werden. Im Programm des Herzoglich Sächsischen Oberhofmarschall-Amtes ist dazu festgehalten: „In beyden Orangenhäusern wird getanzt. Getränke und Kuchen werden in dem Orangenhause linker Hand ausgetheilt. [...] Um 10 Uhr wird zwischen dem Orangerie-Garten und dem Schlosse (Friedrichsthal) ein Feuerwerk abgebrannt werden. Die Wachen tragen Sorge dafür, daß der für die Feuerwerker abgesteckte Platz von dem Publikum verschont werde. [...] Damit aber die Illumination von dem ganzen Publikum gesehen werde, so muß der Weg zwischen dem Orangerie-Garten und dem Friedrichsthal freygelassen [...] werden.“ Vier Chöre, je einer in beiden Kalthäusern sowie zwei im Garten selbst, sorgen für die stimmungsvolle Untermalung des Festes, das laut der „Gothaischen Privilegirten Zeitung“ bis in die frühen Morgenstunden dauert.
1827 Aus dem Garten des Schlosses Friedrichsthal wird ein aus dem Jahre 1711 stammendes sandsteinernes Wasserbecken in die Mittelachse der Orangerie versetzt, wo es fortan als Brunnen dient. Herzog Friedrich IV. Von Sachsen-Gotha-Altenburg (1774–1825) gestattet im selben Jahr der Gothaer Bevölkerung, den herzoglichen Park einschließlich des Orangeriegartens zu besuchen, zunächst jedoch „nur an jedem Freytage“.
1830 Der Bestand der Orangerie beläuft sich in diesem Jahr auf 632 Bäume und 4.534 Topfpflanzen.
1833/34 Im nördlichen und im südlichen Treibhaus werden moderne Kanalheizungen eingebaut.
1851 Hinter dem „Lorbeerhaus“ wird ein neues „Vermehrungshaus“ (Gewächshaus) errichtet.
1855 Die Gothaer Schlosshauptmannschaft schreibt, die Gothaer Orangerie genieße „den Ruf der ersten in Deutschland“.
1856 Im „Orangenhaus“ wird vom Hofbaumeister Scherzer eine Kanalheizung eingebaut; das „Lorbeerhaus“ wird als letztes der vier Orangeriegebäude noch mit Öfen beheizt.
1858 Der renommierte englische Fotograf Francis Bedford (1816-1894) macht im Auftrag Königin Victorias von Großbritannien Fotos von Gotha. Dabei entsteht auch das erste bekannte Foto der Orangerie.
1863 Mit dem Anschluss der Residenzstadt an das Telegrafennetz werden im Obergeschoss des „Lorbeerhaus“-Ostpavillons drei Räume für die Einrichtung der königlich-preußischen Telegrafenstation ausgebaut. Die Station bleibt hier bis zum Jahre 1873.
1868 Das hohe Wasserbecken in der Mittelachse der Orangerie wird durch ein flacheres Marmorbecken (hergestellt von der Firma Erhardt Ackermann aus Weißenstadt bei Wunsiedel) mit einem metallenen Springbrunnen ersetzt. Das alte Becken wird zunächst hinter dem Schloss Friedrichsthal aufgestellt (für dessen barocken Garten es 1711 geschaffen wurde) und findet nach 1945 seinen Platz im sogenannten Tannengarten südlich des Herzoglichen Museums, wo es bis zum Jahre 2007 als Hochbeet dient.
1870 Der Bestand der Orangerie beläuft sich auf nur 380 Pflanzen in Kübeln und Kästen, jedoch 8.528 Topfpflanzen.
nach 1900 Die Rasenflächen und Beete werden komplett neu gestaltet (in der Form, die 1995 wiederhergestellt wird). Der reiche, über fast zweieinhalb Jahrhunderte aufgebaute Bestand an Orangeriepflanzen geht innerhalb weniger Jahre dramatisch zurück, sodass bereits vor dem Ersten Weltkrieg die Nutzung der Anlage als Orangerie aufgegeben wird. Die vier Gebäude (zwei Treib- und zwei Kalthäuser) stehen fortan für andere Zwecke zur Verfügung.
1906 Hinter dem südlichen Treibhaus wird ein Heizhaus errichtet und in allen vier Orangeriegebäuden eine moderne Dampfheizung eingebaut, welche die rund 50 Jahre alten Kanalheizungen im „Orangenhaus“ und den beiden Treibhäusern sowie die noch ältere Ofenheizung im „Lorbeerhaus“ ablöst.
1909 Nach Beschädigungen durch Vandalismus wird der Springbrunnen in der Mittelachse der Gartenanlage demontiert und nicht wieder ersetzt. Das flache Brunnenbecken bleibt erhalten und das Wasser sprudelt fortan als schlichte Fontäne aus dem Fuß des verschwundenen Brunnens.
1916 In der Orangerie findet vom 15. Juli bis 15. August die „Deutsche Kriegs-Ausstellung für Thüringen“ zugunsten des Roten Kreuzes statt. Unter der Schirmherrschaft Herzogin Victoria Adelheids von Sachsen-Coburg und Gotha (1885–1970) werden im „Orangen-“ und im „Lorbeerhaus“ Waffen von Heer, Marine und Luftfahrt gezeigt.
nach 1918 Einige Räume des „Lorbeerhauses“ dienen zeitweilig als Kartoffellager.
1919 Durch das sogenannte Einziehungsgesetz der Gothaer USPD-Regierung vom 31. Juli wird der gesamte Besitz des Hauses Sachsen-Coburg und Gotha im ehemaligen Herzogtum Gotha (und damit auch die herzogliche Orangerie) entschädigungslos enteignet und in Landeseigentum überführt. In der Mittelachse der Orangerie wird die überlebensgroße Bronzeplastik einer Diana mit Hund auf ovalem Kalksteinsockel aufgestellt.
1925 Per Beschluss des Reichsgerichts vom 18. Juni wird die 1919 erfolgte Enteignung des herzoglichen Vermögens für verfassungswidrig und ungültig erklärt. Sämtliche Immobilien und Sachwerte im ehemaligen Herzogtum Gotha gehen wieder in das Privateigentum des letzten Herzogs, Carl Eduards von Sachsen-Coburg und Gotha (1884–1954), über. Zwischen 1920 und 1930 werden die ursprünglich hohen Glasfenster an der Fassade des nördlichen Treibhauses, das seit über zehn Jahren nicht mehr für die Aufzucht von Pflanzen verwendet wird, stark verkleinert.
1926 Der renommierte Gothaer Caféhausbesitzer Otto Leidel legt Pläne für den Einbau eines Cafés (mit kleinem Brunnen) im Mittelpavillon des „Lorbeerhauses“ vor, die ausgeführt werden. Vor allem während der seinerzeit recht häufigen Ausstellungen in der Orangerie können sich die Besucher hier fortan mit Kaffee und Kuchen stärken. In den Sommermonaten stehen den Besuchern vor dem „Lorbeerhaus“ Tische, Stühle und Sonnenschirme zur Verfügung.
1927 Der bekannte Bad Langensalzaer Landschaftsmaler Joachim Hellgrewe (1887–1956) fertigt im Auftrag der Stadt u.a. ein 50 x 70 Zentimeter großes Gemälde der Südseite der Orangerie, das die Stadtväter für "zur Hebung des Fremdenverkehrs", d.h. für Werbezwecke, ankaufen.
1930 Veranstaltet aus Anlass der Hundertjahrfeier des 1830 in Gotha gegründeten Thüringer Gartenbauvereins, lockt die „Deutsche Rosenschau“ vom 29. Juni bis 23. September rund 100.000 Besucher in die Orangerie.
1931 Der seit 1916 bestehende Sandsteinobelisk zum Gedenken an die im Ersten Weltkrieg „gefallenen Helden der FEA 3“ (Gothaer Fliegerersatzabteilung 3) wird auf Veranlassung des Gothaer Vereins für Luftfahrt von der Fliegerwerft in das Halbrund der Orangerie umgesetzt und am 13. September enthüllt. Im Zuge dieser Arbeiten wird die Mittelachse zwischen dem Eingangsportal und dem Brunnenbecken durch ein Halbrund aus Hecken geschlossen. Die Figurengruppe der Diana mit Hund wird entfernt und zunächst im Garten hinter dem Herzoglichen Palais aufgestellt. Der Sockel ist dort bis heute erhalten, die Plastik selbst wurde wahrscheinlich der "Metallspende des Deutschen Volkes" zugeführt.
1936 Das Landestheater Gotha mietet das „Orangenhaus“ an, in dessen westlichem Teil fortan die Kulissenmalerei untergebracht ist. Bis 1949 wird das Gebäude als Lager für das Theater genutzt. Das Erdgeschoss des „Lorbeerhauses“ wird an den Gothaer Verkehrsverein e.V. vermietet. Im Winter werden dort nach wie vor Lorbeerbäume (Reste des einst großen Pflanzenbestandes der Orangerie) hier untergebracht.
1937 Zum 6. April geht die Orangerie im Rahmen einer Schenkung von der 1928 gegründeten Herzog von Sachsen-Coburg und Gotha’schen Stiftung für Kunst und Wissenschaft in das Eigentum der Stadt über. Am „Lorbeerhaus“, das vor allem im Inneren große bauliche Mängel aufweist, werden Instandsetzungsarbeiten vorgenommen. In den nächsten drei Jahren wird das Dach neu geschiefert, die Wände erhalten einen frischen Kalkanstrich, ein Teil des Deckenputzes wird erneuert, es werden neue Heizungskanäle und ein neuer Betonfußboden eingebaut. In beiden Kalthäusern wird vom 11. bis 20. Juni unter dem Titel „Die schaffende Front“ eine Ausstellung der DAF (Deutsche Arbeitsfront) für Industrie-, Gewerbe- und Landwirtschaft abgehalten. Im westlichen Halbrund der Gartenanlage wird mit dem Bau eines Musikpodiums und eines hölzernen Musikpavillons begonnen.
1938 Im Mittelpavillon des „Lorbeerhauses“ halten die Gothaer Kleingärtner und Kleintierzüchter vom 9. bis 16. Oktober eine Leistungsschau ab. Im 1938/39 wird das Gebäude für die Unterbringung der Tiere der Raubtierschau Schneider genutzt.
1939 Um das seit seinem Bau unter aufsteigender Feuchtigkeit leidende „Lorbeerhaus“ trockenzulegen, wird im Mai damit begonnen, mittels einer elektrischen Mauersäge die Wände horizontal aufzuschneiden. In den entstehenden Zwischenraum wird eine Isolierschicht aus Dachpappe und Bleifolie eingebracht. Das zwei Jahre zuvor begonnene Musikpodium mit Musikpavillon im westlichen Halbrund wird fertiggestellt.
1940 Die 1937 begonnenen Instandsetzungsarbeiten am „Lorbeerhaus“ werden abgeschlossen. Da der neue Musikpavillon am westlichen Ende der Mittelachse der Orangerie den FEA-Gedenkobelisken verdeckt, wird dieser im Juli in den Volkspark umgesetzt.
1944 Während eines alliierten Luftangriffs am 24. Februar wird die Orangerie von zwei Luftminen getroffen. Während die erste in der Nähe des Musikpavillons einschlägt, trifft die zweite beinahe direkt das südliche Treibhaus, dessen Mittelteil schwer zerstört wird. Im benachbarten „Lorbeerhaus“ und in den dahinter liegenden Gewächshäusern gehen fast alle Scheiben zu Bruch.
nach 1945 Die Spur der beiden einst im Halbrund der Orangerie stehenden sogenannten Biedermann-Vasen aus dem Barock verliert sich. Da sie vermutlich beim Luftangriff vom 24. Februar 1944 durch den Einschlag einer Luftmine schwer beschädigt oder gänzlich zerstört wurden, werden sie möglicherweise mit anderem Kriegsschutt zur Auffüllung des Feuerlöschbeckens um das Denkmal Ernsts des Frommen verwendet.
1949 Im nördlichen Orangeriegebäude, dem „Orangenhaus“, beginnt der Umbau zur Bibliothek. U.a. werden im östlichen Apartement und dem Ostpavillon hölzerne Zwischendecken eingezogen, Büroräume eingerichtet und ein Aufzug für Bücher eingebaut. Mittelpavillon und Ostteil des Gebäudes erhalten Holzparkett. Im Mittelpavillon werden die beiden großen Kachelöfen in den Wandnischen aufgestellt, die bis 1997 ihren Dienst versehen.
1950 Die 1894 gegründete Stadtbibliothek (ab 1953 Heinrich-Heine-Bibliothek) nimmt ihren Betrieb im „Orangenhaus“ auf.
1953 Die seinerzeit noch zum Pionierhaus gehörende Kinder- und Jugendbibliothek bezieht ihr neues Domizil im dafür umgebauten Nördlichen Treibhaus.
1954 Die Pläne für den Neubau des aufgrund seiner Kriegsschäden zum Abriss vorgesehenen südlichen Treibhauses werden vorgelegt. Der 1940 entstandene Musikpavillon wird abgebrochen und eine ovale Tanzfläche aus Beton errichtet. Nach dem seinerzeit amtierenden Gothaer Bürgermeister Werner Salzmann (1920–2002) wird diese im goth’schen Volksmund „Salzmann-Ei“ genannt. Im nördlichen Treibhaus wird die Abteilung Musikbibliothek der Heinrich-Heine-Bibliothek eröffnet. Mit Carl Eduard von Sachsen-Coburg und Gotha stirbt der letzte Gothaer Herzog und letzte Privatbesitzer der Orangerie.
1955 Das 1944 im Dachbereich schwer beschädigte südliche Treibhaus wird abgebrochen; ein Neubau ist bereits projektiert.
1956 Die Gothaer Baufirma Werner Landmann wird vom Bürgermeister und Architekten Bruno Tamme (1883–1964) mit dem Umbau des „Lorbeerhauses“ zu einem HO-Café beauftragt. An der Ostseite des Gebäudes wird die halbrunde Sandsteinmauer mitsamt Zaun und Pfeilern, die den Abschluss der Orangerie zur Friedrichstraße hin bildet, abgebrochen (ihr wesentlich höheres Pendant am „Orangenhaus“ ist bis heute erhalten). Der einst umlaufende Fußweg um den Ostpavillon des Gebäudes wird dadurch an der Nordostecke des „Lorbeerhauses“ abgeschnitten. Im Mittelpavillon des Kalthauses werden ohne Grund die schmückenden Rocaillen um die große Stuckrosette der Decke entfernt.
1957 Anstelle des abgebrochenen südlichen Treibhauses werden ein Kesselhaus und ein Kohlebunker gebaut, die zugleich als Unterbau für das wiederzuerrichtende Gebäude dienen sollen. Dahinter wird eine Terrasse für den Kaffeegarten des HO-„Orangerie-Cafés“ angelegt. Die ursprünglichen Pläne für den Neubau des südlichen Treibhauses werden jedoch nicht verwirklicht.
1960 Nach vier Jahren Bauzeit eröffnet am 14. Juli im „Lorbeerhaus“ das im Volksmund „Ora“ genannte HO-„Orangerie-Café“; im Obergeschoss befindet sich eine Nachtbar.
1963 Anstelle der im Krieg zerstörten gläsernen Gewächshäuser wird als Ergänzung des „Orangerie-Cafés“ hinter dem „Lorbeerhaus“ ein Kaffeegarten mit Terrasse angelegt. Um einen Zugang von der damaligen Karl-Marx-Straße (heute wieder Friedrichstraße) her zu schaffen, wird an der Südostecke des „Lorbeerhauses“ ein Eingang angelegt und ein Tor in die das Areal abschließende Mauer eingefügt.
1966 Über der Garderobe des HO-„Orangerie-Cafés“ im „Lorbeerhaus“ stürzt teilweise die Zwischendecke ein, da diese stark vom Schwamm geschädigt ist.
1971 In das bislang als Ausstellungs- und Veranstaltungssaal der Bibliothek genutzte westliche Apartement des „Orangenhauses“ wird eine Zwischendecke eingezogen. Damit haben lediglich noch der Mittel- und der Westpavillon des Gebäudes ihre ursprünglichen Raumhöhen von 11,20 Metern. Der Lesesaal im Obergeschoss des östlichen Apartements wird bis 1974 aufgrund von Deckenschäden für die Öffentlichkeit gesperrt. Das Wasserbecken mit Fontäne in der Mittelachse der Gartenanlage wird durch einen schmiedeeisernen Brunnen ergänzt, dessen Gestaltung an seinen im Jahre 1909 nach Vandalismusschäden entfernten Vorgänger angelehnt ist.
1985 An der Südfassade des nördlichen Treibhauses werden die ursprünglichen hohen Glasfenster nach historischem Vorbild wiederhergestellt.
1986 Aus bautechnischen Gründen schließt das „Orangerie-Café“ am 31. Dezember. Da das Geld für eine grundlegende Sanierung des Gebäudes fehlt, steht das „Lorbeerhaus“ fortan leer.
1989 In diesem Jahr beginnen die bis 1991 dauernden Arbeiten zur teilweisen Sanierung des „Lorbeerhauses“. Für 790.000 DM werden u.a. das Dach neu gedeckt, neue Deckenbalken im Ostpavillon eingezogen und Schwammschäden beseitigt.
1993 Das Dach des „Orangenhauses“, das die Heinrich-Heine-Bibliothek beherbergt, wird saniert. Im Zuge dieser Arbeiten werden die Säulen der Sandsteinbrüstung über dem Eingang des Mittelpavillons entfernt und für den geplanten Wiedereinbau nach der Sanierung eingelagert.
1994 Die Orangerie wird als möglicher Standort der geplanten Thüringer Spielbank genannt. Die Stadt Gotha bewirbt sich mit diesem Objekt neben Erfurt, Weimar und Altenburg und hofft darauf, bei einer Konzessionserteilung vor allem das verfallende „Lorbeerhaus“, das ebenfalls leerstehende Hofgärtnerhaus und das benachbarte Winterpalais sanieren zu können.
1995 Bei der grundlegenden Sanierung des Orangeriegartens werden die Rasenflächen und Rabatten in den zwischen 1900 und 1931 herrschenden Zustand zurückversetzt. U.a. wird die auf das Schloss Friedrichsthal zulaufende Mittelachse, die 1931 durch ein Halbrund aus Hecken und Rabatten geschlossen worden war, wieder durchgehend gestaltet. Im Zuge der Sanierungsarbeiten wird auch das 1954 gebaute „Salzmann-Ei“ abgebrochen.
1997 In dem als Bibliothek dienenden „Orangenhaus“ wird eine moderne Heizung eingebaut, welche nach 47 Jahren die alten Kachelöfen in den Räumen ersetzt. Lediglich im Mittelpavillon bleiben die beiden nun funktionslosen großen Kachelöfen von 1950 erhalten.
2001 Nach siebenjähriger Diskussion um den künftigen Spielbankstandort in Thüringen ist die Gothaer Orangerie als letzter Mitbewerber aus dem Rennen – den Zuschlag für die Spielbank erhält die Landeshauptstadt. Der Zustand der seit 1994 für das Spielbank-Projekt freigehaltenen Gebäude („Lorbeerhaus“, Hofgärtnerhaus und Winterpalais) hat sich weiter verschlechtert.
2002 Erstmals seit dem Ende der Monarchie herrscht wieder höfischer Glanz in der Orangerie: Im Rahmen des II. Gothaer Barockfestes fährt Herzog Friedrich III. von Sachsen-Gotha-Altenburg (dargestellt von Opernsänger Günter Köbrich) vierspännig vor und wird am Eingangsportal von Mitgliedern seines Hofstaates empfangen, die mit ihm durch die Anlage lustwandeln. Die Orangerie dient als Kulisse für einige Szenen des historischen Spielfilms „Vive la joie! (Es lebe die Freude!)“ der Gothaer Hobby-Filmproduzenten Kai Kretzschmar und Andreas M. Cramer, der während des Barockfestes gedreht wird.
2003 Die Sanierungsarbeiten am Eingangsportal und dem Zaun der Orangerie werden nach mehrjähriger Dauer abgeschlossen. Die reichen Metallschmiedearbeiten (Akanthusblätter) des dreiteiligen Tores im Stil des Barock erstrahlen erstmals seit Jahrzehnten wieder in ihrer ursprünglichen Farbfassung in Grün und Türkis, das sächsische Rautenkranzwappen mit Herzogskrone in Rot, Grün und Gold. Die Abteilung Musikbibliothek der Heinrich-Heine-Bibliothek zieht aus dem nördlichen Treibhaus aus.
2004 Schloss und Park Friedenstein sowie die Orangerie gehen in den Besitz der 1994 gegründeten Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten über. Im nördlichen Treibhaus werden eine neue Heizung und eine Warmwassertemperierung eingebaut.
2005 Das nördliche Treibhaus wird im Winter 2005/06 erstmals wieder zur Überwinterung der Kübelpflanzen der Orangerie genutzt.
2006 In der Fernsehsendung „Ein Schloss wird gewinnen“ des MDR gewinnen die Gothaer am 7. Mai durch ihre Anrufe überraschend 500.000 Euro von der Deutschen Stiftung Denkmalschutz für die Sanierung des maroden südlichen Orangeriegebäudes, des „Lorbeerhauses“. Im Juni gründet sich der Förderverein „Orangerie-Freunde“ Gotha e.V., der im Herbst mit der Beräumung des ehemaligen HO-„Orangerie-Cafés“ beginnt. Auch der einstige Kaffeegarten hinter dem „Lorbeerhaus“ wird durch die Vereinsmitglieder vom über die Jahre dort abgelagerten Müll freigeräumt. Die Orangerie dient – wie schon in den Vorjahren – beim alljährlich stattfindenden Gothaer Barockfest im August als Kulisse für die Flaneure des Hofstaats Herzog Friedrichs III. von Sachsen-Gotha-Altenburg.
2007 Im Frühjahr beginnt die Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten mit den sanierungsvorbereitenden Arbeiten im Inneren des „Lorbeerhauses“: Zunächst werden der alte Putz sowie der Fußboden entfernt. Im April werden „Sina die Orange“ als Maskottchen der Orangerie sowie die Spendenaktion „Lust auf Orange!“ vorgestellt. Im August dient die Orangerie zum VII. Barockfest als farbenprächtige Kulisse für die Flaneure des Hofstaates Herzog Friedrichs III. von Sachsen-Gotha-Altenburg. Im Oktober wird das Gelände des „Kaffeegartens“ des ehemaligen HO-„Orangerie-Cafés“ auf der Südseite des „Lorbeerhauses“ beräumt, und an der Nordfassade beginnen die Sanierungsarbeiten. Im Oktober nimmt die von der Stadt neugeschaffene Parkverwaltung, die sich künftig um die Parkanlagen der Residenzstadt – und somit auch um die Orangerie – kümmern wird, ihre Arbeit auf. Im November stellt die Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten ihr zukunftsweisendes Konzept für die Einrichtung des künftigen deutschen Orangeriemuseums in der Gothaer Orangerie vor.
2008 Der Westpavillon und das westliche Appartement des „Lorbeerhauses“ werden saniert, ebenso die komplette Fassade des Gebäudes. Im Rahmen des ersten Bauabschnitts wendet die Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten rund 1,9 Millionen Euro für diese Arbeiten auf. Zwei Freiluftkonzerte locken im Sommer hunderte Gothaer in die Gartenanlage, ebenso wie die Flaneure des Hofstaates Herzog Friedrichs III. von Sachsen-Gotha-Altenburg zum VIII. Barockfest. Im Oktober werden erstmals seit rund einem Jahrhundert wieder Pflanzen (genauer: die 50 Lorbeerbäume des Orangeriebestandes) zur Überwinterung in das „Lorbeerhaus“ gebracht. Im selben Monat bezieht der Parkverwalter sein modernisiertes Büro im nördlichen Kalthaus. Im Dezember wird das teilsanierte „Lorbeerhaus“ offiziell eröffnet und vom Förderverein „Orangerie-Freunde“ auf dem Gelände des ehemaligen Kaffeegartens der 1. Orangerie-Weihnachtsmarkt veranstaltet.
2009 Bei einem Brandanschlag auf den Westpavillon des „Lorbeerhauses“ im April werden zwei Fenster und der gerade sanierte Innenraum schwer beschädigt. Der Verein „Orangerie-Freunde“ organisiert u.a. zwei Freiluftkonzerte sowie zwei Konzerte im „Lorbeerhaus“, veröffentlicht das Kochbuch „Lust auf Orange“ und einen Kalender. Im August wird das seit 1955 als verschollen geltende Gemälde „Südseite der Orangerie“ des Malers Joachim Hellgrewe von 1927 in einem städtischen Lagerraum wiederentdeckt, restauriert und im Amtszimmer des Gothaer Oberbürgermeisters aufgehängt. Zum IX. Barockfest ist die Orangerie traditionell die Kulisse beim Flanieren des herzoglichen Hofstaates. Im Dezember zieht der 2. Orangerie-Weihnachtsmarkt auf dem Gelände des ehemaligen Kaffeegartens hinter dem „Lorbeerhaus“ erneut tausende Gothaer an.
2010 Dank einer Spende der „Orangerie-Freunde“ in Höhe von 20.000 Euro können die Folgen des Brandanschlags auf das „Lorbeerhaus“ beseitigt und die zerstörten Fenster ersetzt werden. In diesem Jahr finden so viele Veranstaltung in der Orangerie bzw. dem „Lorbeerhaus“ statt, wie selten zuvor in der Geschichte der Gartenanlage. U.a. je ein Konzert der Thüringen-Philharmonie, des Ensembles „Musica Florata“ und des Andreas-Geffarth-Duos, zwei Konzerte des Polizeimusikkorps Thüringen, darüber hinaus ein Tanztee, zwei Yoga-Übungseinheiten sowie eine Feierstunde für Hanns Cibulka im „Lorbeerhaus“. Der Verein „Orangerie-Freunde“ richtet sowohl den ersten 1. Orangerie-Gartenmarkt als auch den 3. Orangerie-Weihnachtsmarkt aus. Die Gartenanlage dient der Hofgesellschaft beim X. Gothaer Barockfest im August ebenso als prächtige Kulisse wie den Musikern der Thüringen-Philharmonie für ein PR-Foto.
2011 Im Mai bezieht der Verein „Orangerie-Freunde“ den neuen Vereinsraum, der im Obergeschoss des Westpavillons des „Lorbeerhauses“ eingerichtet wurde. Diesen teilt er sich mit dem Arbeitskreis „Orangerien in Deutschland“, dessen Vorsitzender Parkverwalter Jens Scheffler ist.
2012 Im Mittelpavillon des „Lorbeerhauses“ werden im Frühjahr neue Fenster und Türen eingesetzt. Im Sommer wird das aus dem Jahre 1711 stammende sandsteinerne Brunnenbecken, das von 1827 bis 1868 die Mittelachse der Orangerie zierte, aus dem Tannengarten hinter dem Herzoglichen Museum wieder in die Orangerie gebracht und in Vorbereitung für seine Sanierung nahe dem Platz des einstigen südlichen Treibhauses aufgestellt. Im Oktober werden für eine Komplettrestaurierung der schmiedeeiserne Orangeriebrunnen (1971) sowie die Marmorabdeckung des Brunnenbeckens (1868) demontiert.
2013 Der Metallbrunnen der Orangerie sowie die Marmorabdeckung des Brunnenbeckens werden nach ihrer Restaurierung wieder an ihrem angestammten Platz in der Mittelachse der Orangerie aufgestellt.
2014 Im Januar verlässt die Stadtbibliothek nach 64 Jahren das „Orangenhaus“ und zieht in das benachbarte ehemalige Hofgärtnerhaus und das Winterpalais. Im Frühjahr wird im Mittelpavillon des „Lorbeerhauses“ ein neuer Fußboden aus Sandsteinplatten verlegt. Im frei gewordenen "Orangenhaus" wird im November erstmals ein Kunsthandwerkermarkt und im Dezember der traditionelle Orangerie-Weihnachtsmarkt abgehalten.
2015 Im Juli wird Gotha u.a. mit der Herzoglichen Orangerie als Außenstandort der BUGA 2021 in Erfurt benannt. Die „Orangerie-Freunde“ präsentieren in der Gartenanlage ihren jüngsten Spendenartikel - das Orangerie-Maskottchen "Sina". Das "Orangenhaus" ist erneut Veranstaltungsort des Kunsthandwerkermarktes und des Orangerie-Weihnachtsmarktes.
2016 Die Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten stellt die ersten Pläne für ein neues Kamelienhaus vor, das bis 2021 hinter dem Nördlichen Treibhaus entstehen soll. Im Treibhaus werden nach über 100 Jahren Pause wieder die ersten in der Orangerie gezogenen Ananasfrüchte geerntet.
2017 In der Spendenaktion „Die Gothaer Blumenkinder“ zugunsten der Sommerbepflanzung der Orangerie kommen im April beachtliche 11.520,91 Euro zusammen. Die vierwöchige und einmalige Aktion war spontan ins Leben gerufen worden, als bekannt wurde, dass den Orangeriegärtnern durch haushaltsbedingte Kürzungen der Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten 2017 erstmals nur rund ein Fünftel der für eine Komplettbepflanzung notwendigen Gelder zur Verfügung stehen würden. Damit hätte lediglich die Mittelachse des Orangerieparterres bepflanzt werden können. Dank der 155 zumeist privaten Spender können jedoch alle Beete und Rabatten der Gartenanlage wie gewohnt bepflanzt werden. Ebenfalls im April erscheint der erste kleine Spezialführer für die Orangerie. Unter dem Titel „Herzogliche Orangerie Gotha. Garten der Goldenen Früchte“ bietet die von Parkverwalter Jens Scheffler verfasste und vom Verein „Orangerie-Freunde“ finanzierte Broschüre einen Überblick über Geschichte, Gegenwart und Zukunft der Gartenanlage.
2018 Im November wird das „Orangenhaus“ bis auf weiteres für Veranstaltungen gesperrt, nachdem bei statischen Voruntersuchungen Fäulnisschäden im Dachtragewerk sowie Brüche in den Hängewerken der barocken Holzkonstruktion festgestellt werden.
2019 Im Februar ruft der Verein „Orangerie-Freunde“ die Spendenaktion „Ein Dach für unsere Orangerie. Jeder Euro hilft!“ zugunsten der Sanierung des „Orangenhauses“ ins Leben.
Die Baumeister der Orangerie
Die Ursprünge der Gothaer Orangerie gehen auf das Jahr 1711 zurück, als der gothaische Oberbaudirektor Wolf Christoph Zorn von Plobsheim gegenüber dem Schloss Friedrichsthal den Ordonnanzgarten anlegte. Die terrassierte Gartenanlage war in erster Linie ein Küchengarten, beherbergte jedoch auch schon ein Gewächshaus, in dem die umfangreiche herzogliche Sammlung von Orangeriepflanzen untergebracht war. In den 1730er-Jahren wurde der Ordonnanzgarten vom gothaischen Oberlandbaumeister Johann Erhard Straßburger planmäßig zu einer Orangerie mit Fontäne, Gewächs- und Lusthaus ausgebaut. Deren komplette Neugestaltung nach französischen Vorbildern wurde 1747 dem sachsen-weimarischen Landesoberbaudirektor Gottfried Heinrich Krohne übertragen. Als dieser 1751 am Gothaer Hof in Ungnade fiel, übernahm der gothaische Baudirektor Friedrich Joachim Stengel für einige Monate die Leitung der Arbeiten an der Orangerie. Ab 1752 wurden Krohnes Pläne vom gothaischen Landbaumeister Johann David Weidner vollendet.
Wolf Christoph Zorn von Plobsheim ... ... wurde am 1. Dezember 1665 in Gotha als Sohn eines hohen Hofbeamten geboren. Nach einer Ausbildung zum Offizier wurde er 1686 Kammerjunker am gothaischen Hof, 1692 Kommandant der Residenzstadt Gotha und 1699 Schlosshauptmann von Schloss Friedenstein. 1703 wurde von Plobsheim zum Baudirektor und Leiter des herzoglichen Bauamts ernannt. In dieser Eigenschaft oblag ihm in den Folgejahren die Verantwortung für sämtliche Bauten im Herzogtum Sachsen-Gotha-Altenburg. In den Jahren 1708 bis 1711 entstand im Auftrag Herzog Friedrichs II. von Sachsen-Gotha-Altenburg mit dem Gothaer Schloss Friedrichsthal eines von Plobsheims wohl bedeutendsten Bauwerken. 1711 legte er mit der Anlage des Ordonnanzgartens den Grundstein für die heutige Gothaer Orangerie. 1712 wurde von Plobsheim Oberbaudirektor des Herzogtums Sachsen-Gotha-Altenburg. Da er ab 1719 kränkelte, wurde die Ausführung seiner letzten Entwürfe (u.a. für die Stadtkirche „Zur Gotteshilfe“ in Waltershausen) zunehmend vom gothaischen Baumeister Johann Erhard Straßburger übernommen. Wolf Christoph Zorn von Plobsheim starb am 9. August 1721 in Gotha.
Johann Erhard Straßburger ... ... wurde am 25. Februar 1675 in Markvippach als Sohn des Pfarrers Johann Peter Straßburger geboren. 1701 trat er in die Dienste Herzog Friedrichs II. von Sachsen-Gotha-Altenburg. Die früheste belegte Mitarbeit bei einem Bauprojekt in der Residenzstadt Gotha leistete er 1715 beim Bau der Siechhofskirche (heute Friedrichskirche) in Siebleben. Wie kein Zweiter prägte Straßburger in den nachfolgenden drei Jahrzehnten vor allem den Kirchenbau im Herzogtum. Im Jahre 1731 wurde Straßburger zum gothaischen Oberlandbaumeister ernannt. Im Auftrag Herzog Friedrichs III. von Sachsen-Gotha-Altenburg baute er ab 1732 den Ordonnanzgarten gegenüber dem Schloss Friedrichsthal planmäßig zu einer umfangreicheren Orangerie aus. Unter seiner Leitung entstanden in der Gartenanlage in den 1730er-Jahren u.a. ein Lusthaus und eine Fontäne. Obwohl Straßburger 1746/47 zwei Entwurfszeichnungen für den Neubau eines steinernen Orangeriegebäudes lieferte, erhielt der sachsen-weimarische Landesoberbaudirektor Gottfried Heinrich Krohne 1747 den Auftrag für die komplette Neugestaltung des Orangeriegartens nach französischem Vorbild. Straßburger war noch an den bauvorbereitenden Maßnahmen für die heutige Orangerie beteiligt und wurde 1751 pensioniert. Sein Nachfolger als gothaischer Baudirektor wurde für einige Monate Friedrich Joachim Stengel, dem 1752 Johann David Weidner folgte. Johann Erhard Straßburger starb am 9. Januar 1754 in Gotha.
Gottfried Heinrich Krohne ... ... wurde am 26. März 1703 als Sohn des Stallknechts Johann Christoph Crune (sic!) in Dresden geboren. Ab 1726 stand er in Diensten des Herzogs von Sachsen-Weimar-Eisenach, baute aber u.a. auch in Schwarzburg-Rudolstadt und Nordfranken. 1747 erhielt Krohne von Herzog Friedrich III. von Sachsen-Gotha-Altenburg den Auftrag für die komplette Umgestaltung des ehemaligen Ordonnanzgartens gegenüber dem Schloss Friedrichsthal zu einer Orangerie nach französischem Vorbild. Krohne projektierte die Gesamtanlage, konnte jedoch nur das Südliche Treibhaus (1748) und den Rohbau des „Lorbeerhauses“ (1750) fertigstellen, da er im August 1751 am Hof in Ungnade fiel und Gotha verlassen musste. Die Bauleitung der Orangerie bekam zunächst Friedrich Joachim Stengel und ab 1752 Krohnes ehemaliger Schüler Johann David Weidner übertragen. Gottfried Heinrich Krohne, der heute als bedeutendster Barockbaumeister Thüringens gilt, starb am 30. Mai 1756 in Weimar.
Friedrich Joachim Stengel ... ... wurde am 29. September 1694 im anhaltinischen Zerbst als Sohn eines Hofbeamten geboren. Nach einem Studium an der Akademie der bildenden Künste in Berlin war der ausgebildete Ingenieur-Offizier erstmals von 1715 bis 1719 bei der gothaischen Oberbaudirektion als Feldmesser angestellt. Nach Arbeiten u.a. für den Hof von Sachsen-Weimar-Eisenach, den Fuldaer Fürstabt und Kurmainz erhielt Stengel 1730 in Gotha eine Anstellung als Geometer und Militäringenieur. Da sich seine Hoffnungen auf die Nachfolge Johann Erhard Straßburgers als gothaischer Oberbaumeister nicht erfüllten, wechselte er 1733 in den Dienst des Fürsten von Nassau-Usingen, arbeitete ab 1735 für den Grafen von Nassau-Saarbrücken und ab 1750 für die Fürstin von Anhalt-Zerbst. Im August 1751 erhielt Stengel seine dritte Anstellung in Gotha, wo er in der Nachfolge des pensionierten Johann Erhard Straßburger als "Rath- und Baudirektor" zunächst die Umgestaltung der Räume der Herzogin Luise Dorothea von Sachsen-Gotha-Altenburg im Corps de Logis des Schlosses Friedenstein leitete. Als der Baumeister Gottfried Heinrich Krohne am Hof in Ungnade fiel, wurde Stengel auch die Oberbauleitung der Orangerie übertragen, wo er den weiteren Ausbau des "Lorbeerhauses" betreute. Anfang 1752 wurde ihm Krohnes Schüler Johann David Weidner als Bauinspektor beigeordnet. Bereits im April desselben Jahres bat Stengel jedoch um seine Entlassung und arbeitete fortan bis zu seiner Pensionierung als Generalbaudirektor für die Fürsten von Nassau-Saarbrücken. Friedrich Joachim Stengel starb am 10. Januar 1787 in Saarbrücken.
Johann David Weidner ...
... wurde am 8. März 1721 in Bürgel als Sohn des Dornburger Hofmaurermeisters Nikolaus Weidner geboren. Als 14-Jähriger ging er beim sachsen-weimarischen Landesoberbaudirektor Gottfried Heinrich Krohne in die Lehre, der ihn sieben Jahre lang ausbildete und als dessen bedeutendster Schüler er gilt. 1742 trat Weidner als Baukondukteur in die Dienste Herzog Ernst Augusts I. von Sachsen-Weimar-Eisenach, wurde 1750 zum Bauverwalter ernannt und wechselte im Jahr darauf als Bauinspektor mit einer „Interims-Besorgnis“ an den gothaischen Hof.
1752 wurde Weidner dem gothaischen Baudirektor Friedrich Joachim Stengel als Bauinspektor beigeordnet und erhielt nach dessen Weggang noch im selben Jahr die Oberaufsicht über das gothaische Bauwesen. Herzog Friedrich III. von Sachsen-Gotha-Altenburg übertrug Weidner damit auch die Bauleitung der von seinem einstigen Lehrer Krohne begonnenen Orangerie. Unter seiner Leitung wurde 1752 das bei Krohnes Weggang erst im Rohbau stehende „Lorbeerhaus“ fertiggestellt. Aufgrund des Siebenjährigen Krieges konnte Weidner (der 1754 zum gothaischen Landbaumeister bestellt wurde) erst 1758 das Nördliche Treibhaus errichten. In den Jahren 1766 bis 1769 entstand schließlich mit dem „Orangenhaus“ das letzte der vier von Krohne projektierten Orangeriegebäude.
Johann David Weidner, der als einer der besten Architekten des Spätbarock in Mitteldeutschland gilt, starb am 23. Juni 1784 in Gotha.
Das Portal der Orangerie
Ein häufig fotografierter Blickfang der Orangerie ist das prächtige dreiteilige Eingangsportal an der Friedrichstraße, das vor allem durch seine filigranen Metallschmiedearbeiten beeindruckt. Obwohl bereits vor über 60 Jahren detaillierte Forschungen zu Herkunft und Alter des Tores veröffentlicht wurden, halten sich bis heute hartnäckig vor allem zwei Legenden, nämlich: 1) Das Tor stamme aus der Zeit des Rokoko. 2) Das Tor und der Zaun stammten vom einstigen Lustgarten des Schlosses Friedrichswerth, das Herzog Friedrich I. von Sachsen-Gotha-Altenburg (1646–1691) in den Jahren 1680 bis 1689 in Erffa (heute Friedrichswerth) errichten ließ. Die erste Legende hält sich, da schlichtweg angenommen wird, dass das Tor und der Zaun erst im Zuge der Neuanlage der Orangerie ab 1747 angefertigt wurden – also in der auf das Barock folgenden Zeit des Rokoko. Die zweite Legende (manchmal noch ergänzt um den Zusatz, dass das Tor während des „Dritten Reiches“ nach Gotha gekommen sei!) wird vor allem von den Friedrichswerthern gern erzählt, deren Lustgarten am Schloss irgendwann des ebenfalls dreiteiligen Tores samt Zaun verlustig ging. Ihrer Meinung nach gehört das Tor der Gothaer Orangerie also „eigentlich nach Friedrichswerth“. Indes wurden der Zaun und das Orangerieportal nachweislich eigens für die Gartenanlage der Residenzstadt angefertigt – und zwar 13 Jahre vor der Neuplanung der Orangerie durch den Baumeister Gottfried Heinrich Krohne! Allein ein Blick auf die Abmessungen des Gothaer Orangerietores und des Friedrichswerther Lustgartentores (von dem bis heute die steinernen Pfeiler und eisernen Angeln der Torflügel erhalten sind) zeigt, dass der Anspruch der Friedrichswerther jedweder Grundlage entbehrt: Das zweiflügelige Haupttor der Orangerie ist nicht nur über zwei Meter höher als es das Tor des Lustgartens je gewesen sein kann, es ist auch rund 75 Zentimeter schmaler. Darüber hinaus sind die beiden Flügel des großen Orangerietores mit jeweils drei Angeln befestigt, während in Friedrichswerth lediglich zwei Angeln (und dies mit völlig anderem Abstand) jeden Flügel hielten. Auch die das Haupttor flankierenden kleineren einflügeligen Tore waren am Friedrichswerther Lustgarten fast 20 Zentimeter breiter als ihre Pendants in der Gothaer Orangerie. Eine Anpassung des Friedrichswerther Tores an die Orangerie hätte eine vollständige Umarbeitung des gesamten Tores sowohl in Höhe als auch Breite erforderlich gemacht, die umso erheblicher ausgefallen wäre, als auch sämtliche aufwändigen Verzierungen mit Akanthusblättern, Ranken etc. hätten entfernt und komplett neu angefertigt werden müssen. Insgesamt also ein Aufwand, der umso unsinniger erscheint, weil es um vieles einfacher (und nicht zuletzt kostengünstiger!) gewesen wäre, einfach nur die Torpfeiler anzupassen. Die zuweilen aufgestellte zusätzliche Behauptung, dass das Friedrichswerther Tor in der Zeit des „Dritten Reiches“ nach Gotha geholt worden wäre, ist völlig abwegig. Sowohl die historischen Zeichnungen und Stiche aus dem 19. Jahrhundert, als auch das erste belegte Foto der Gothaer Orangerie aus dem Jahre 1858 zeigen eindeutig, dass das Tor auch damals schon in seiner heutigen Gestalt und Abmessung stand. Doch auch abseits dieser eindeutigen Beweise gegen die Friedrichswerther Legende (die im Übrigen durch keinerlei Belege unterstützt wird) ist in den Archivalien des Staatsarchivs auf Schloss Friedenstein belegt, wann und von wem Tor und Zaun der Gothaer Orangerie angefertigt wurden – womit auch die Rokoko-Legende klar widerlegt wird. Nachfolgend ist der 1943 erschienene zweiteilige Artikel aus der „Thüringer Gauzeitung / Gothaer Beobachter“, der sich mit der Herkunft und dem Alter des Tores und des Zaunes beschäftigt, im originalen Wortlaut wiedergegeben:
Das schmiedeeiserne Orangengartentor Ein Meisterstück Alt-Gothaer Handwerkskunst vom Jahre 1734
Seit mehr als 200 Jahren wird das schmiedeeiserne dreiteilige Haupttor des Orangengartens immer wieder von Freunden guter alter Handwerkskunst gern betrachtet. Über seine Entstehungszeit und seine Schöpfer herrschte jedoch bisher völlige Unklarheit, die erst in den letzten Jahren durch eingehende Nachforschungen beseitigt werden konnte. Der verstorbene Heimatschriftsteller Püschel hatte behauptet: „Das Gitter mit seinem auch heute noch vielbewunderten Tor bestand schon 1710“ … und anläßlich einer Handwerkerausstellung in der Orangerie: „ein Friedrichswerther Meister habe es geschmiedet“. Andere Heimatforscher glaubten, es sei um das Jahr 1750 mit dem älteren Gewächshaus zugleich errichtet worden, gehöre also noch in die Rokokozeit. Wie so oft im Leben, führt auch hier die goldene Mittelstraße ans Ziel: Die aufgefundenen Rechnungen und Belege beweisen eindeutig, daß Gitter und Tor erst seit 1734, also nach dem Abbruch des vorher dort gestandenen „alten Ordonnanzhauses“ als Abschluß nach der „Allee vor dem Sieblebertor“ (unserer jetzigen Friedrichstraße) bestehen. Das Mitteltor ist eine Arbeit des Hofschlossermeisters Gräfenstein, der damals Haus, Hof und Garten „vor dem Sundhäuser Thor, auf der Burgfreiheit, am Gäßchen gegen dem Thor über“ besaß. (Sein großes Grundstück erstreckte sich entlang der Viertel der Dreikronengasse, die ja erst später nach dem auf Gräfensteins Grundstück eingerichteten Gasthof „Zu den drei Kronen“ ihren Namen erhielt!) Sein Bruder besaß daneben Haus, Hof und Garten, die frühere „Stadtmission“. Die beiden Seitentore fertigte Hofschlossermeister Silber, der dann auch die Schlosserarbeiten am jetzigen südlichen Gewächshaus im Auftrag bekam. Mauerbrüstung und Steinpfeiler baute Hofmaurermeister Broßmann[1]; die Steine dazu lieferte er aus seinem eigenen Steinbruch. Gleichzeitig wurden u.a. eine Brücke über den Leinakanal, ein Wasserfall von da oben nach dem Garten herunter, Steintreppen daneben usw. gebaut, wofür insgesamt über 2.000 Taler Kosten entstanden, welche die fürstliche Kammerkasse bezahlte. Damals erfolgte auch die Änderung des bisherigen Namens „Ordonnanzgarten“ (der ja wegen Verlegung des „Ordonnanzhauses“ an den Mühlgrabenweg „vor dem Erfurter Tor“ nun hier nicht mehr zutraf) in die heute noch übliche Bezeichnung „Orangengarten“. Entsprechend der gründlichen inneren Umgestaltung des Gartens haben freilich Gitter und Tor seit ihrer ersten Errichtung zweimal sehr wesentliche Änderungen erfahren. In der Hauptsache betrifft das die Grundlinienführung, die Höhe und die Bekrönung. Das alte Gitter und Tor waren nämlich ursprünglich um zwei Schuh (etwa 60 Zentimeter) niedriger; dem gemäß fehlte dann das unterste Feld am Mitteltor und den beiden Seitentoren; an dem ebensoviel kürzeren Gitter fiel deshalb der unterste Querstab weg. Anstelle der heutigen Bekrönung des Mitteltores (Rautenkranz nebst Krone darüber und Blumengewinde darunter) befand sich eine wahrscheinlich viel zierlichere, stilechte, mit dem fürstlichen Namenszug (zwei verschlungene F mit Krone: Herzog Friedrich III. 1732–1772). Auch die beiden Vasen über den Seitentoren, die vor längerer Zeit entfernt, bis jetzt aber noch nicht ersetzt sind, scheinen eine spätere Zutat gewesen zu sein. Im übrigen standen Gitter und Tor anfangs jahrzehntelang auf einer Brustmauer, wodurch man zwar von der Straße aus nicht wie heute den Garten in seiner ganzen Ausdehnung übersehen konnte, dafür jedoch die kunstvollen schmiedeeisernen Muster gegen den Himmel umsoviel besser zur Geltung kamen. So gesehen kann nun natürlich keine Rede mehr von einer „Rokoko-Arbeit“ sein, denn es fehlt ja gerade das Hauptmerkmal dieses Baustils: die fortwährende Wandlung des Musters! Hier war die linke Hälfte des ursprünglichen Mitteltores ebenso wie die rechte, ein Seitentor glich dem anderen, ferner wiederholt sich dasselbe Muster der Randleiste vielmals. Aber auch die Verschnörkelung, die Ausführung der Akanthusblätter[2] und des sonstigen Beiwerkes sind derart, daß zweifellos das ganze Schmiedewerk in seiner ursprünglichen Gestalt dem Barockstil zugerechnet werden muß! Aus den bisher geprüften Belegen geht leider die geistige Urheberschaft nicht klar hervor. Der Entwurf wurde wahrscheinlich vom fürstlichen Bauamte geliefert, dem damals tüchtige Künstler, wie Gengenbach und Stengel, angehörten. Gerade letzterer zeigte bei seinen späteren Bauten in Saarbrücken, Dornburg (Elbe) und anderswo eine besondere Vorliebe für solche schmiedeeisernen Kunstwerke, gepaart mit großer Sachkenntnis, denn er gab den ausführenden Handwerksmeistern stets genaue, ins einzelne gehende Anweisungen. Welche Veränderungen Gitterwerk und Tor nach der Erbauung des ersten steinernen Gewächshauses an der Südseite erfahren haben, kann heute noch nicht gesagt werden. Es ist z.B. fraglich, ob von vornherein die Steinpfeiler mit Granatäpfeln[3] (statt der jetzigen Steinkugeln) geschmückt und beim Gitter immer ein gerader mit einem geflammten Stab abwechselte, oder ob das letztere überhaupt nur geplant, jedoch garnicht ausgeführt worden ist. Die Grundlinie der Gittermauer verlief vielleicht schon von Anfang an nicht gerade ausgerichtet wie jetzt, sondern mehrfach gewinkelt und verkröpft. Durch diesen Kunstgriff wollte der Baumeister – vom Friedrichsthal aus gesehen – die damals noch sehr beträchtlichen Höhenunterschiede im Orangengarten (von Süden nach Norden und von Westen nach Osten!) soviel als möglich verdecken. Übrigens lag die Mittelachse des Gartens und somit seines Tores nicht mit der des Schlosses Friedrichsthal gleichlaufend, sondern unten an der Friedrichstraße 120 Schuh (knapp 35 Meter), oben am Leinakanal nur 85 Schuh (knapp 25 Meter) nördlicher; der Orangengarten war ja zu dieser Zeit noch viel schmaler als jetzt und wurde erst nach und nach durch Hinzukauf der benachbarten Grundstücke auf die heutige Breite gebracht! Bei der Erbauung des ersten steinernen Gewächshauses an der Südseite beseitigte man diesen Zustand; um 1750 herum kam also das Tor ungefähr an seinen jetzigen Ort, stand jedoch bedeutend höher als heute. Sonstige Einzelheiten sind noch nicht bekannt geworden. Erst im Jahre 1774, nach dem sehr schlicht gehaltenen Ausbau des zweiten Gewächshauses an der Nordseite (das „Orangenhaus“ genannt, während das südliche das „Laurierhaus“[4] damals hieß!) begann man mit der Einebnung des Gartens bis hinten an den Berg. Da der Orangengarten jetzt von der Straße aus in seiner ganzen Länge und Breite zu übersehen sein sollte, mußten die Mauerbrüstung wieder entfernt und Gitter und Tor zum Ausgleich um etwa 80 Zentimeter erhöht, die Lanzenstangen auch unten durch einen Querstab verbunden werden. Herzog Ernst II. von Sachsen-Gotha-Altenburg (1772–1804) ordnete ferner an, daß die Granatäpfel auf den Steinpfeilern durch Steinkugeln und der Namenszug seines verstorbenen Vaters über dem Mitteltor durch Rautenkranz und Krone ersetzt werden sollten. Gleichzeitig bekamen Gitter und Stützmauer unterhalb des nördlichen Gewächshauses die heutige Linienführung. Abgesehen von kleinen unbeabsichtigten Änderungen anläßlich des Ersatzes von rostzerfressenen einzelnen Teilstücken sind wohl Gitterwerk und Tor seitdem unverändert geblieben. Mögen sie uns noch recht viele Jahre erhalten bleiben und [...] die jungen Handwerker weiter anspornen, den alten Meistern gleich immer ihr bestes Können zu zeigen.
E.H.K. (aus: „Thüringer Gauzeitung / Gothaer Beobachter“ Nr. 290 und 291 vom 24. und 25. November 1943)
Anmerkungen
- ↑ Der Gothaer Hofmaurer Georg David Broßmann (gest. März 1748) bekam 1747 auch die Maurerarbeiten für den Bau des „Lorbeerhauses“ übertragen.
- ↑ Ursprünglich waren sowohl die Verzierungen des Tores als auch die Spitzen des Zaunes vergoldet. Wahrscheinlich schon bei der ersten farblichen Auffrischung des Zaunes im 19. Jahrhundert wurden die Reste dieser Vergoldung übermalt.
- ↑ Hier handelt es sich möglicherweise um einen Fehler des Autors. Sehr wahrscheinlich waren die Pfeiler mit den im Barock als Bekrönung sehr beliebten steinernen Pinienzapfen geschmückt.
- ↑ Aus der originalen Bezeichnung „Laurierhaus“ (von lat. laurus = Lorbeer) wurde im Laufe der Zeit die heutige Bezeichnung „Lorbeerhaus“.
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